Häufig gestellte Fragen
Ihr organisiert einen Studiengang. Was kann man sich darunter vorstellen?
Mit dem Studiengang wollen wir uns die Geschichte der kommunistischen- und Arbeiterbewegung auf Grundlage der wesentlichen materiellen und gesellschaftlichen Zusammenhängen erschließen. Wir wollen aus den historischen Erfahrungen, Niederlagen, Fehlern und Erfolgen der Bewegung lernen, indem wir die Kämpfe in den historischen Kontext einordnen und besser verstehen, welche Widersprüche in der Welt zu Widersprüchen in der Bewegung geführt haben und welche Schlüsse wir daraus für heute ableiten können.
Der Studiengang ist für alle offen, die Interesse und Freude daran haben, teilzunehmen, und erstreckt sich von Februar 2025 bis zum Frühjahr 2028, also über einen Zeitraum von etwa drei Jahren. Die Inhalte sind in Module unterteilt, in denen wir chronologisch die wichtigen Stationen der Arbeiterbewegung behandeln. Ein Modul besteht aus einer Vorlesung, die eine thematische Einführung gibt und aus lokalen Lesekreis-Treffen mit zusätzlichen Referaten. Angefangen mit den Bauernaufständen und der Entstehung des Kapitalismus und der Arbeiterbewegung, arbeiten wir uns über die bürgerlichen und sozialistischen Revolutionen bis in die Gegenwart imperialistischer Kriege vor. Dabei orientieren wir uns stark an den acht Bänden zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Sie stellen eine selbstkritische Aufarbeitung unserer Geschichte bis in die 1970er Jahre dar, in denen viel Wissen über die Kämpfe, Siege und Niederlagen aufgehoben ist. Darüber hinaus wird es zu jedem Modul eine Auswahl verschiedener Klassikertexte und Sekundärliteratur geben.
Warum wollt ihr euch mit der Geschichte des Kommunismus beschäftigen?
Die historischen Ereignisse, die für die kommunistische Bewegung heute von Bedeutung sind, werden häufig unterschiedlich interpretiert, was oft zu gegensätzlichen Schlussfolgerungen führt. Ein besonders prägendes Ereignis der letzten Jahre war der russische Einmarsch in die Ukraine, der weltweit zu einer tiefen Spaltung innerhalb der kommunistischen Bewegung geführt hat. Einige halten Russlands Vorgehen für einen imperialistischen Angriffskrieg, andere für eine gerechte Verteidigung gegen die NATO-Aggression. Aber alle beziehen sich in ihrer Argumentation auf dieselben Klassiker, wie zum Beispiel Lenins Imperialismus Schrift. Auch zum Charakter und der Rolle Chinas gibt es sehr kontroverse Diskussion: Ist China imperialistisch, kapitalistisch, oder sogar sozialistisch? Hier gibt es unter Kommunisten sehr unterschiedliche Antworten. Auch innerhalb der Palästina-Bewegung gibt es erhebliche Kontroversen, insbesondere darüber, wie man sich gegenüber den islamischen Teilen des Widerstands sowie den Rollen Irans und Syriens positionieren sollte. Diese Kontroversen grundsätzlich zu klären ist sehr voraussetzungsvoll. Auch wir stoßen immer wieder an unsere Grenzen, wenn es um die Beurteilung historischer Kämpfe der Arbeiterbewegung und ihre Bedeutung für unsere Strategie und Taktik geht. Gerade das ist aber sehr wichtig, um in der Diskussion weiterzukommen. Denn viele der Diskussionen, die wir heute führen, zum Beispiel zur nationalen Frage oder zum Imperialismus, wurden historisch schon in ähnlicher Weise von der Arbeiterbewegung geführt – oft sogar auf einem höheren Niveau als heute. Um zu verstehen, wo wir heute als Bewegung stehen und welchen Aufgaben wir haben, ist es sehr wichtig, unsere eigene Geschichte zu verstehen.
Warum organisiert ihr dafür einen Studiengang und was ist der Unterscheidet zu einer Grundlagenschulung?
Ein zentrales Problem, mit dem wir als Kommunisten in Deutschland konfrontiert sind, ist das Fehlen von kampferfahrenen und gut geschulten Kommunisten- Kader, die orientierend in die Kämpfe der Arbeiterklasse eingreifen können. Für die Herausbildung eben solcher Kommunisten braucht es unter anderem ein umfängliches Wissen über die eigene Klasse und die Kampfsituation. Wenn wir die Kämpfe der Arbeiterbewegung wirklich verstehen wollen, reicht es nicht aus, nur in Lehrbücher zu schauen. Wir müssen uns einen möglichst vollständigen Überblick verschaffen, Quellen kritisch in ihren historischen Kontext einordnen und uns so eine eigene Einschätzung erarbeiten. Es geht nicht darum, fertige Meinung zu vermitteln, sondern fragend an die Geschichte heranzugehen und zu lernen, wie wir aus unserer eigenen Geschichte lernen können. Der Studiengang ist also kein Schulungsprogramm im klassischen Sinne, sondern stellt uns vor die Herausforderung, die Arbeiterbewegung als Teil der gesamten ökonomischen und ideologischen Verhältnisse und Widersprüche zu erforschen. Dafür müssen wir auch lernen, unsere Grundwerkzeuge, also vor allem den dialektischen- und historischen Materialismus, richtig anzuwenden. Doch das ist eine schwierige Aufgabe, die wir nur erfüllen können, wenn wir uns viel Wissen aneignen und uns über längere Zeit systematisch und kollektiv mit dem Kommunismus als Weltanschauung und Bewegung beschäftigen. Der Studiengang soll deshalb für mehrere Jahre zu einer zentralen Tätigkeit unserer Organisation werden und ein gemeinsames Fundament für die weitere Klärung schaffen. Wir wollen gemeinsam Streitfragen herausarbeiten und ihre Ursachen verstehen. Hierzu sollen nach Möglichkeit auch parallel zum Studiengang Veröffentlichungen und eine öffentliche Debatte entstehen. Aber der Studiengang richtet sich nicht nur an erfahrene Leute, die schon viel wissen. Alle Teilnehmenden, unabhängig von ihrer bisherigen Erfahrung, sollen die Möglichkeit haben, ihr Wissen zu erweitern und vor allem ein tieferes Verständnis für die Bedeutung der Geschichte für unsere Arbeit als Kommunistinnen und Kommunisten zu entwickeln.
Was hat das mit dem Ziel des Aufbaus einer Komunistischen Partei zu tun?
Die Konterrevolution hat die kommunistische Bewegung in eine tiefe Krise gestürzt. Die Bewegung in Deutschland ist organisatorisch zersplittert, inhaltlich gespalten und gesellschaftlichen isoliert – das trifft natürlich auch auf uns selbst zu. Diesen Zustand können wir nicht überwinden, indem wir einfach eine neue kommunistische Partei gründen. Im Gegenteil: dies würde die organisatorische Zerfaserung der Bewegung verstärken und die komplexe Realität, mit der die Bewegung konfrontiert ist, ignorieren. Stattdessen müssen wir daran arbeiten, die Probleme zu beheben, die wir in der kommunistischen Bewegung sehen, wie zum Beispiel das Fehlen einer intensiven und ernsthaften Debatte über die unterschiedlichen Streitfragen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir uns einerseits selbst weiterentwickeln, uns einen gemeinsamen Wissensstand erarbeiten, lernen, den wissenschaftlichen Kommunismus auf die heutigen Gegebenheiten anzuwenden, Erfahrungen in den Kämpfen sammeln und uns langfristig zu Kadern entwickeln. Solche Kader sollten durch fundiertes Wissen und eine sachliche Debattenkultur in der Lage sein, eine konstruktive Rolle innerhalb der Bewegung zu spielen. Andererseits ist es unverkennbar, dass die Voraussetzungen zur Überwindung der Krise nur durch ein breites Zusammenwirken der kommunistischen Bewegung geschaffen werden können. Der Studiengang versteht sich daher als ein Angebot an die Bewegung, aktiv mitzuwirken, eigenes Wissen einzubringen und die Diskussion lebendig und fruchtbar zu gestalten.
Warum macht ihr das gerade jetzt? Haben wir als Kommunisten jetzt überhaupt die Zeit für sowas?
Es mag widersprüchlich wirken, dass wir einen Studiengang durchführen wollen, während weltweit Kriege eskalieren, ein Genozid vor unseren Augen stattfindet und die politischen Kämpfe dagegen massiv unterdrückt werden. Doch gerade durch unsere Aktivität in den Kämpfen merken wir, wie kompliziert es ist, eine richtige Orientierung zu finden. Dabei geht es um konkrete taktische Fragen, zum Beispiel, wie es gelingt, Spaltungslinien in der Palästina-Bewegung zu überwinden, aber auch um grundsätzlichere Fragen, wie die Gefahr eines drohenden Faschismus und was das für unsere Bündnisarbeit bedeutet. Wir gehen davon aus, dass wir die Kämpfe langfristig nur voranbringen können, wenn wir sie in die Klassenkämpfe in Deutschland und international einordnen und ihre geschichtliche Dimension durchdringen. Mit dem Studiengang wollen wir genau das versuchen: Wir wollen uns dazu befähigen, die aktuellen Kämpfe und Aufgaben besser zu verstehen und zu definieren, indem wir historische Debatten und Kämpfe mit den aktuellen Kämpfen in Verbindung setzen und unsere Rolle darin realistisch einschätzen lernen.
Klingt ein bisschen nach Rückzug in die Studierkammer oder?
Die Gefahr eines gewissen Rückzugs besteht dabei natürlich. Aber der Studiengang erfüllt keinen Selbstzweck, sondern dient unseren Kämpfen und ist das Ergebnis unserer derzeitigen Kampfsituation. Neben der Isolierung von der Arbeiterklasse ist der niedrige Erfahrungsschatz über die Geschichte der Klassenkämpfe ein entscheidender Grund für das defensive Agieren von Kommunisten in Deutschland. Beides – die Isolierung und der niedrige Wissensstand – bedingen sich gegenseitig. Der Studiengang soll einen Weg aus dieser Situation bieten. Unser Anspruch ist es auch, in Zukunft eine aktive Rolle in den unterschiedlichen Kämpfen einzunehmen. Schließlich lernen wir gerade durch unsere Aktivität in den Massenkämpfen viel über die Streitfragen in der Bewegung und merken, wo wir selbst Unklarheiten und fehlende Orientierung haben. Zum Beispiel stoßen wir in der Palästina-Bewegung immer wieder auf die Frage nach dem Charakter von Ländern wie Iran oder Syrien. Dahinter stecken sehr grundsätzliche Fragen zum Charakter von Kämpfen für nationale Souveränität, mit denen wir uns im Studiengang beschäftigen werden.
Einerseits stoßen wir also auf Fragen, deren Beantwortung wir mit dem Studiengang näherkommen wollen. Andererseits schärfen die Kampferfahrungen unseren Blick und geben uns Orientierung in der Auseinandersetzung mit unserer Geschichte. Wir müssen also studieren, um zu wissen, wofür wir kämpfen müssen und kämpfen, um zu wissen, was wir studieren müssen.
Wie kann man mitmachen?
Die zentrale Motivation hinter dem Studiengang ist, Menschen hervorzubringen, die ein umfassendes und fundiertes Wissen über die Arbeiterklasse, ihre Kämpfe und ihre Geschichte besitzen. Das Fehlen solcher Expertinnen und Experten bedeutet für das Projekt Studiengang, dass wir umso stärker auf eine kollektive Arbeitsweise angewiesen sind. Diese soll es uns ermöglichen, einerseits voneinander zu lernen und andererseits unser Wissen und unsere Erkenntnisse gegenseitig zu überprüfen. Zudem bringt jede und jeder Teilnehmende unterschiedliche Vorkenntnisse und Erfahrungen mit, was die Zusammenarbeit bereichert und den Austausch umso wertvoller macht.
Dieser Umstand stellt uns vor zwei Herausforderungen: (1) fehlen uns diejenigen Genossen, die umfängliche Kampferfahrungen und ein hohes Maß an theoretischem Wissen besitzen und quasi als eine Art ‚Lehrer‘ auftreten könnten; (2) werden wir als ein sehr heterogener Zusammenhang in den Studiengang starten. Beides wollen wir mit verschiedenen Stufen begegnen, auf denen man sich am Studiengang beteiligen kann. Sie sollen es ermöglichen, dass sich jeder Teilnehmer klare Lernziele setzt, mit denen er sich am Studiengang beteiligen möchte. Diese Lernziele, die einer gewissen Stufe entsprechen, ermöglichen das kollektive Reflektieren individueller Lernfortschritte. Dies befähigt uns dazu, gegenseitig voneinander zu lernen und uns gleichzeitig gegenseitig zu prüfen. Es ermöglicht eine konstruktive Beteiligung, unabhängig davon, wie sehr man sich bereits mit der Geschichte des Kommunismus beschäftigt hat.
Teilnahme als Zuhörer: du bist interessiert an den Themen des Studiengangs, aber du hast dich bisher noch nicht wirklich mit der Geschichte der Arbeiterbewegung und des Kommunismus beschäftigt und deine zeitlichen Kapazitäten lassen es im Moment nicht zu, dass du dich auf Treffen vorbereitest oder diese nachbereitest. Das soll eine Teilnahme am Studiengang nicht verunmöglichen. Als Zuhörer nimmst du an den Vorlesungen teil und, abhängig von deinen Kapazitäten, auch an einem Lesezirkel Treffen. Wenn dir allerdings die Zeit für eine intensive Vorbereitung auf die Treffen fehlt oder dir gewisse Grundlagen noch nicht vertraut sind, wirst du tendenziell eher als Zuhörer an den Diskussionen teilnehmen. Doch auch in dieser Rolle kannst du durch den Studiengang viel lernen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass der Studiengang nicht als eine reine Grundlagenschulung konzipiert ist, die sich primär an Personen richtet, die sich zum ersten Mal mit dem wissenschaftlichen Kommunismus beschäftigen.
Teilnahme im Grundkurs: du hast dich schon mit dem ein oder anderen Klassikertext beschäftigt und kennst auch verschiedene Phasen der Geschichte der Arbeiterbewegung. Im Grundkurs des Studiengangs ist das hauptsächliche Lernziel, sich mit den verschiedenen Kampfsituationen der Arbeiterklasse vertraut zu machen. Das Lernziel besteht darin, die Kampfbedingungen und daraus erwachsenen Kontroversen und Debatten grob zu verstehen. Neben der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung wirst du vielleicht den ein oder anderen Klassikertext aus der jeweiligen Zeit lesen. Dabei ist die Kenntnis von den zentralen Inhalten dieser Texte das Ziel. Im Grundkurs nimmst du wöchentlich an einem Lesezirkel teil und bereitest dich auf die Treffen vor. Du versuchst in Vorbereitung auf das Treffen die jeweiligen Texte für dich zu reflektieren. Diese Reflexion stellt die Grundlage für die Diskussionen bei den Lesezirkeln dar. Hierin besteht auch ein zentraler Unterschied zum Zuhörer.
Teilnahme im Erweiterungskurs: du bist mit den meisten historischen Phasen und auch schon vielen Klassiker Texten vertraut. Dann ist der Erweiterungskurs das richtige. In dieser Stufe ist das Lernziel, die historischen Kontexte umfänglich zu reflektieren und einzuordnen. Das Lernziel besteht vor allem in einem Transfer auf andere Kampfbedingungen – die Frage ist also, was man aus eine historischen Kampfsituation für heute lernt. Das Ziel des Transfers ist für die Lernzirkel eine wichtige Grundlage. Personen im Erweiterungskurs sind in den Lesezirkeln besonders gefordert, da mit ihrem Lernziel zusammenhängt, gewisse Aspekte und Reflexionen in die kollektive Diskussion zu holen.
Ein weiterer Unterschied zwischen dem Grund- und Erweiterungskurs besteht im wöchentlichen Textpensum. Alle Teilnehmer ordnen sich im Kollektiv – d.h. in ihrem Lesezirkel – einer Stufe zu. In den einzelnen Modulen ist es die Aufgabe von jedem, eigene Lernziele zu formulieren und der Gruppe gegenüber transparent zu machen. Beides soll es ermöglichen, dass deine Gruppe dich in deinem Lernfortschritt begleiten und reflektieren kann.