Zur Entstehungsgeschichte des „Manifestes der Kommunistischen Partei“

Friedrich Engels hielt es für unmöglich, „dass das ‚Manifest‘ in irgendeiner Sprache herauskommt, ohne dass festgestellt wird, wie es zustande kam.“ Vertiefungen zum Manifest der Kommunistischen Partei – der Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Kommunismus.

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Anmerkung der Redaktion: Wir veröffentlichen hiermit die schriftliche Ausarbeitung zum Referat zur Entstehungsgeschichte des Manifest der Kommunistischen Partei. Das Referat ist ebenfalls auf YouTube zu finden:

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich danke für das Angebot, hier etwas näher auf die Entstehungsgeschichte des „Kommunistischen Manifestes“ einzugehen, die uns u. a. lehrt, dass Arbeiterklasse und Wissenschaftlicher Kommunismus keine Gegensätze sind, wie das von bürgerlicher Seite gern behauptet wird, sondern gemeinsam nach ihrer programmatischen und organisatorischen Vereinigung strebten, die mit der Gründung des Bundes der Kommunisten, dessen Programm das „Manifest“ war, in ihrer ersten Form erfolgte.

Damit genug der Vorrede!

Friedrich Engels hielt es für unmöglich, „dass das ‚Manifest‘ in irgendeiner Sprache herauskommt, ohne dass festgestellt wird, wie es zustande kam. Die Folgerung aus dem II. und der ganze III. und IV. Abschnitt sind sonst völlig unverständlich.“ (MEW 36/380) Philipp ist in seinem Vortrag am 30. März zur Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland auf diese Frage eingegangen. Aber auch in der Vorlesung zu Revolution und Konterrevolution spielte das „Manifest“ eine Rolle. Ich möchte daran anknüpfen und Verschiedenes ergänzen – möglichst noch vertiefen.

Zu zwei Themen will ich sprechen: 

1. Die Geburtsurkunde des Wissenschaftlichen Kommunismus

2. Nachträgliches zur Programmdebatte im Bund der Gerechten/Bund der Kommunisten

1. Die Geburtsurkunde des Wissenschaftlichen Kommunismus

Wir sind es gewohnt, im „Manifest der Kommunistischen Partei“  die Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Kommunismus zu sehen, insofern es auch als Parteiprogramm die erste Form der Vereinigung von wissenschaftlichem Kommunismus und Arbeiterbewegung verkörpert, ist es zugleich die Geburtsurkunde der kommunistischen Weltbewegung. Das unterstreicht die Losung des „Manifestes“:  „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Als Leitfaden und Richtschnur revolutionären Handelns, propagierten u. a. August Bebel und Franz Mehring das „Kommunistische Manifest“. Lenin erweiterte diese Sichtweise, indem er das „Manifest“ als ein erstes Werk des reifen Marxismus charakterisierte, dessen drei Hauptbestandteile hier bereits ausgeprägt sind. (LW 25/413 und 21/36) Das „Manifest“ sah er als dokumentarisches Zeugnis der Verschmelzung des Marxismus mit der Arbeiterbewegung. Für ihn war klar: „Dieses kleine Büchlein wiegt ganze Bände auf.“ (LW 2/10) Die Lebenskraft des „Manifestes“ ließ es zum Grunddokument des Marxismus werden. Friedrich Engels betont aber, man könne das „Manifest“ nicht voraussetzungslos zur Hand nehmen; jeder Satz, jeder Gedanke müsse wissenschaftlich erfaßt und durchdacht werden, um zu einer Anleitung zum Handeln zu werden.  Als Beispiel sei von mir der Satz genannt: „Jeder Klassenkampf ist ein politischer Kampf“. Und Marx war der Meinung, dass ein bestimmtes intellektuelles Niveau der Arbeiterklasse erreicht sein muß, bevor diese das „Manifest“ richtig verstehen kann. Selbst der Geschulteste wird bei wiederholtem Lesen  zu einem vertieften Verständnis dieser Programmschrift und zu neuer Interpretation mancher Textstelle vordringen. Jede Generation liest das „Kommunistische Manifest“ auf ihre Weise, sucht Antworten auf ihre Fragen. So war das auch nach der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus. Da wurde mit Hilfe der sowjetischen Genossen von November 1945 bis Juni 1946 das „Manifest“ in 7 Ausgaben mit über 700.000 Exemplaren veröffentlicht.

Der Begriff „Geburtsurkunde des Wissenschaftlichen Kommunismus“ schließt verschiedene Gesichtspunkte ein – auf zwei möchte ich eingehen.

Erstens:  Was der Marxismus der Arbeiterklasse mit dem „Manifest“ gab, das war nicht der Kommunismus schlechthin, sondern der wissenschaftliche Kommunismus. Den Klassencharakter des frühen utopischen Kommunismus hat Engels anschaulich beschrieben: „Derjenige Teil der Arbeiterklasse, der sich von der Unzulänglichkeit bloßer politischer Umwälzungen überzeugt hatte und die Notwendigkeit einer totalen Umgestaltung der Gesellschaft forderte, dieser Teil nannte sich damals (30iger Jahre des 19. Jh. H.M.) kommunistisch. Es war eine noch rohe, unbehauene, rein instinktive Art Kommunismus, aber er traf den Kardinalpunkt und war in der Arbeiterklasse mächtig genug, um den utopischen Kommunismus zu erzeugen, in Frankreich den von Cabet, in Deutschland den von Weitling.“ (MEW 21/357)

Was zeichnet den Wissenschaftlichen Kommunismus aus?

Mit der Entdeckung der Befreiungsmission der Arbeiterklasse und ihres Doppelcharakters (einmal sich selbst, zum anderen die ganze Gesellschaft zu befreien) war der Weg gefunden, den Widerspruch zwischen Sozialismus und Klassenkampf zu lösen, der den großen Utopisten soviel Kopfzerbrechen bereitete, weil das Proletariat für sie nur eine leidende Klasse war. Zum Zeitpunkt des „Manifestes“ hatten Marx und Engels schon klar herausgearbeitet, woran die Wissenschaftlichkeit des Kommunismus zu messen ist. Die materialistische Geschichtsauffassung war entdeckt und formuliert, der Klassenkampf als Triebkraft der Geschichte erkannt. Der Kommunismus galt von nun an als ökonomisch begründete gesetzmäßige Notwendigkeit, als das gesetzmäßige Resultat der Wirkungen einer gesellschaftlichen Kraft, die der Kapitalismus erzeugt hat – der Arbeiterklasse. Es geht um Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse, Produktionsweise, Eigentum, Klassen und Klassenkampf. Die Ausbeutung wurde nicht nur verworfen und kritisiert, sondern erklärt. Entsprechend heißt es bei Friedrich Engels: „Der Kommunismus ist keine Doktrin, sondern eine Bewegung; er geht nicht von Prinzipien, sondern von Tatsachen aus. Die Kommunisten haben nicht diese oder jene Philosophie, sondern die ganze bisherige Geschichte und speziell ihre gegenwärtigen tatsächlichen Resultate in den zivilisierten Ländern zur Voraussetzung. Der Kommunismus ist hervorgegangen aus der großen Industrie und ihren Folgen, aus der Herstellung des Weltmarkts, aus der damit gegebenen ungehemmten Konkurrenz, aus den immer gewaltsameren und allgemeineren Handelskrisen, die schon jetzt zu vollständigen Weltmarktskrisen geworden sind, aus der Erzeugung des Proletariats und der Konzentration des Kapitals, aus dem daraus folgenden Klassenkampfe zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Der Kommunismus, soweit er theoretisch ist, ist der theoretische Ausdruck der Stellung des Proletariats in diesem Kampfe und die theoretische Zusammenfassung der Bedingungen der Befreiung des Proletariats.“ (MEW 4/321f)

Das ist der Kern des Wissenschaftlichen Kommunismus: Die Lehre von den Bedingungen der Befreiung des Proletariats.(Engels) Nur so kann die kommunistische Theorie auch Anleitung zum Handeln sein. Das setzt voraus, dass die Verhältnisse und das theoretische Instrumentarium soweit entwickelt sind, dass sie die Einsicht in die Bedingungen der Emanzipation gestatten. Im „Manifest“ wird der Materialismus zur logischen Basis des Kommunismus, der Begründung der Befreiungsmission des Proletariats. Sein durchgehender Grundgedanke, der seinen Kern bildet und „einzig und ausschließlich Marx“ angehört, wie Engels in den Vorworten zur deutschen Ausgabe von 1883 und zur englischen Ausgabe von 1888 (MEW 4/578 ff) sagt, lautet: „… dass die ökonomische Produktion und die aus ihr mit Notwendigkeit folgende gesellschaftliche Gliederung einer jeden Geschichtsepoche die Grundlage bildet für die politische und intellektuelle Geschichte dieser Epoche; dass demgemäß (seit Auflösung des uralten Gemeinbesitzes an Grund und Boden) die ganze Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen gewesen ist, Kämpfen zwischen ausgebeuteten und ausbeutenden, beherrschten und herrschenden Klassen auf verschiedenen Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung; dass dieser Kampf aber jetzt eine Stufe erreicht hat, wo die ausgebeutete und unterdrückte Klasse (das Proletariat) sich nicht mehr von der sie ausbeutenden und unterdrückenden Klasse (der Bourgeoisie) befreien kann, ohne zugleich die ganze Gesellschaft für immer von Ausbeutung, Unterdrückung und Klassenkämpfen zu befreien… “ (MEW 4/577) Die Hervorhebung dieses Grundgedankens hält dazu an, konkrete gesellschaftliche Situationen dadurch transparent zu machen, dass man sie auf die gesellschaftlichen Grundwahrheiten zurückführt.

Zweitens: Wenn wir das „Kommunistische Manifest“ als die Geburtsurkunde der kommunistischen Weltbewegung und des Wissenschaftlichen Kommunismus bezeichnen, so auch deshalb, weil es auf alle wesentlichen Fragen des Kampfes der Arbeiterklasse eine Antwort enthält. Nehmen wir zum Beispiel die Frage des Friedens, dann lesen wir: „Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nation fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander.“ (MEW 4/479) Klarer geht es nicht. Aber das „Manifest“ enthält keine neuen Erkenntnisse gegenüber den Erkenntnissen, die bis dahin von Marx und Engels schon gewonnen wurden. Es war ein Parteiauftrag, der erfüllt werden musste. Der Begriff „Geburtsurkunde“ schließt also ein, dass viele Fragen erst im Ansatz formuliert werden (z.B. war die Theorie des Mehrwertes noch nicht entdeckt). Das „Manifest“ repräsentiert „eine notwendige hohe Entwicklungsstufe der revolutionären Arbeiterbewegung, eine neue zeitbestimmte Qualität sozialistischen Denkens.“ (Reclam, Nachwort 1985, S. 118)  Allerdings behandelten Marx und Engels das „Manifest“ insofern als geschichtliches Dokument, als sie Veränderungen, die sich aus den Zeitverhältnissen ergaben – wir denken z. B. an 1872, in Vorworten nachwiesen, ohne den Text nachträglich zu korrigieren. Engels war grundsätzlich der Meinung, dass zu jeder Neuausgabe des „Kommunistischen Manifestes“ ein Vorwort gehört. Diese Vorworte dienten der Überprüfung, Präzisierung, Aktualisierung und Einführung in den Inhalt und die Geschichte des „Manifestes“.

2. Zur Programmdebatte im Bund der Gerechten/Bund der Kommunisten

Philipp ist in seiner Vorlesung auf die vier Phasen der im Bund der Gerechten/Bund der Kommunisten insgesamt über 10 Jahre lang geführten kollektiven Diskussion programmatischer Fragen eingegangen. An diesem theoretischen Ringen nahmen letztlich „Hunderte Bundesmitglieder sowie Mitglieder von Arbeiter- und Arbeiterbildungsvereinen in wenigstens acht Ländern Europas teil.“ (Hundt, 1988/182) Es war eine Einheit von organisatorischer und ideengeschichtlicher Entwicklung. Die damalige und heutige Hauptfrage der proletarischen Bewegung war/ist m. E. die ideologische und organisatorische Befreiung des Proletariats von der Vormundschaft der Bourgeoisie.

Gemeinsam, wenn auch zunächst unabhängig voneinander, rangen Karl Marx und Friedrich Engels, die einen ungeheuren Forschungs- und Lernprozess durchmachten, sowie eine fortgeschrittene kleine Schar organisierter Arbeiter um eine wissenschaftlich begründete Lehre für die Erfüllung ihrer Befreiungsmission. Wir haben nicht die Zeit, diese Diskussion und den taktischen Plan von Marx und Engels in allen Details nachzuzeichnen, sondern nur in einigen. Deshalb empfehle ich euch die kleine Broschüre des Marx/Engels Forschers Martin Hundt „Wie das ‚Manifest‘ entstand“, Dietz Verlag Berlin 1973 und 1985. Sie bildet die unmittelbare Grundlage für meinen Vortrag. Ebenso die Arbeiten von Waltraud Seidel-Höppner, Joachim Höppner, Henry Görschler und Wolfgang Meiser.

Im Prozeß der Entstehung des „Manifestes“ zeigt sich das bewusste Aneinander-Wachsen sich gegenseitig fordernder Partner. Für uns ist es wichtig zu erkennen, erstens, dass im „Kommunistischen Manifest“ als erstem wissenschaftlich begründeten Parteiprogramm Fragen beantwortet wurden, die sich in der Arbeiterbewegung seit ihrem Aufkommen angesammelt hatten und auf die es keine befriedigen Antworten gab. Zweitens,  dass in der Vorperiode vor den Revolutionen von 1848 „das Bedürfnis nach politischer und theoretischer Klärung dem Wirken von Marx und Engels günstig (war), blanquistisch-französische und deutsche Arbeiterkommunisten in einer gemeinsamen Organisation von Kommunisten und auf gemeinsamen theoretisch-politischen Grundlagen zusammenzufassen.“ (Robert Steigerwald, MB 1/1988, S. 123) Aus diesem Prozeß ist das „Manifest“ hervorgegangen. 

Bereits um 1836 bis 1838 beginnt im Bund der Gerechten das Ringen um ein spezifisches Arbeiterprogramm, eben deshalb hatten sich „die proletarisierten und durch die Wirtschaftskrise radikalisierten Handwerksgesellen“ (Engelberg) vom Bund der Geächteten abgespalten, der unter bürgerlich-demokratischer Führung stand. In ihrem Denken und Handeln spielte das Verlangen der Handwerksburschen, die Ausbeutung zu beschränken bzw. gar abzuschaffen, keine Rolle. Erstmalige organisatorische und politische Selbständigkeit der proletarischen Kräfte sollte erreicht werden. Damit trat die deutsche Arbeiterbewegung ins Leben. Friedrich Engels schrieb über diese historische Stunde der erwachenden Arbeiterklasse: „Es gereicht … (den Handwerksgesellen H.M.) zur höchsten Ehre, daß sie, die selbst noch nicht einmal vollgültige Proletarier wären, sondern nur ein im Übergang ins moderne Proletariat befindlicher Anhang des Kleinbürgertums, der noch nicht im direkten Gegensatz gegen die Bourgeoisie, d. h. des großen Kapitals, stand – daß diese Handwerker imstande waren,  ihre künftige Entwicklung instinktiv zu antizipieren und, wenn auch noch nicht mit vollem Bewußtsein, sich als Partei des Proletariats zu konstituieren.“ (MEW 21/210) Die Behauptung bürgerlicher Historiker, antikapitalistisch-kommunistische Tendenzen seien bald wieder überwunden worden, ist falsch. Martin Hundt weist nach: „Überwunden wurden die verschiedenen kommunistischen Lehren nicht, weil sie kommunistisch, sondern weil sie zuwenig kommunistisch waren, zu ungenau die Interessen der Arbeiterklasse widerspiegelten.“ (1973/ 16) Die kommunistischen Theorien wurden keineswegs abgewehrt oder abgestoßen, vielmehr gab es ein schwieriges, ernsthaftes, unter Umständen auch unbewusstes Suchen zum Wissenschaftlichen Kommunismus. Dabei wurden alle Wandlungen des französischen und englischen Sozialismus und Kommunismus, wie ihrer deutschen Spielarten durchlaufen, schrieb Marx. (MEW 14/438)

Der Bund der Gerechten, Vorsitz Wilhelm Weitling, war die kleinste, aber internationalste und theoretisch aufgeschlossenste Abteilung der Arbeiterbewegung, die auch danach strebte, die frühere geheimbündlerische Organisationsstruktur zu überwinden. Kern der laufenden ideologischen Diskussion war die Frage, welche Art Gleichheit das Ziel des Bundes sei. Jetzt hieß dieses Ziel nämlich „Gemeinschaft“ oder „Gütergemeinschaft“ – es hieß Kommunismus, vorher war es im Bund der Geächteten die demokratische Republik. So begann das erste kollektive Ringen um ein Programm des Bundes der Gerechten, 1838 in Paris. Die Mitglieder verlangten nach einer Schrift über die Gütergemeinschaft. Wilhelm Weitling wurde beauftragt, eine Broschüre zu verfassen. Ende 1838 entstand dann seine Schrift „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte.“ Geistige Anleihen nahm er bei den französischen und englischen Utopisten auf. Aus ihrer Literatur schöpfte er das erste deutsche System des Arbeiterkommunismus und bringt als einer der ersten ihre Gesellschaftskritik dem Proletariat nahe.

Arbeiterkommunismus – was ist das?

„Arbeiterkommunismus“, schreibt Joachim Höppner, „ist die theoretische und politische Strömung des Frühproletariats, die sich in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts in Frankreich, England und Deutschland ausprägt und die Erfahrungen der ersten Kämpfe des westeuropäischen Proletariats verallgemeinert, um die Arbeiterbewegung als ideologisch und politisch-organisatorisch selbständige Kraft zu formieren.“ (Waltraud Seidel-Höppner, Joachim Höppner, Sozialismus vor Marx, Akademie Verlag Berlin 1987, S.108) Die französischen und deutschen Arbeiterkommunisten – so Etienne Cabet, Kopf des reformistischen Flügels, Jean-Jacques Pillot, Theodore Dezamy, Auguste Blanqui, Wilhelm Weitling – alle vier dem revolutionären Flügel zugehörig, interpretieren die radikalen Lehren der bürgerlichen Revolution (Babeuf, Robespierre) und die Gesellschaftskritik des kritisch-utopischen Sozialismus im proletarischen Sinn. Der englische Arbeiterkommunismus knüpfte theoretisch direkt an die Lehren des utopischen Sozialisten Robert Owen an, praktisch war sein Anknüpfungspunkt die Genossenschaftsbewegung. Mit dem Aufkommen des Chartismus wurde der englische Arbeiterkommunismus politisch. Die Chartistenführer Julian Harney und Ernest Jones standen im direkten Kontakt mit Marx und Engels.

Im Proletariat erblicken die Arbeiterkommunisten jene Klasse, die als unmittelbarer Produzent materieller Güter die Gesellschaft trägt, die auf Grund ihrer ausgebeuteten und unterdrückten Lage am meisten an der kommunistischen Umgestaltung interessiert ist. Der soziale Antagonismus kann nur durch die Beseitigung des Privateigentums, durch eine Revolution und die Schaffung kommunistischer Eigentumsverhältnisse überwunden werden. Der Arbeiterkommunismus konnte aber noch nicht zu den historischen Entwicklungsgesetzen vordringen. „Die unreifen Verhältnisse“, so Höppner, „verurteilten die Arbeiterkommunisten zur Utopie, insbesondere ihre Suche nach einem gangbaren Weg zur Ablösung der kapitalistischen durch die kommunistische Gesellschaft.“ (Höppner, a.a.O, S. 110f) Theoretisch kündigt der Arbeiterkommunismus das reifende Bewußtsein des Proletariats über seinen Interessengegensatz zur Bourgeoisie an. Aber die Arbeiterkommunisten bekommen weder die historische Klassenspezifik noch die innere Dynamik der Revolutionen in den Griff. Vergangene Revolutionen werden so zu „verpassten Gelegenheiten“. Die Genossen scheitern an der Dialektik von objektiver Gesetzmäßigkeit und subjektivem Handeln.

Doch zurück zum Arbeiterkommunisten Wilhelm Weitling.

Die neue Gesellschaft, davon war er überzeugt, müsse durch eine kommunistische Revolution herbeigeführt werden. Darin, die Revolution als notwendig zu erkennen, überragt er alle anderen Utopisten.„Der Umsturz des alten Bestehenden ist Revolution; folglich ist der Fortschritt nur durch Revolutionen denkbar. Es lebe die Revolution!“ Sie führe zunächst zu einer Diktatur und beseitige das Hauptübel, das Privateigentum. In dieser neuen Ordnung seien Kriege nicht mehr nötig: der Feind stehe nicht jenseits der Grenzen, sondern im eigenen Land. Die Grenzen müssten fallen. Eine Weltsprache sei nötig. Die erforderlichen Kräfte dieser Revolution sah Weitling teilweise schon in der Arbeiterklasse — die er also als erster nicht nur als leidende Klasse sah, sondern auch als kämpfende — sowie in anderen Schichten, die vom Kapital deklassiert worden waren. An die Arbeiter gewandt, schrieb er:“Glaubet nicht dass ihr durch Vermittlung mit euren Feinden, etwas ausrichten werdet, eure Hoffnung liegt nur in eurem Schwerte. Jede Vermittlung zwischen euch und ihnen ist zu eurem Nachteile berechnet. Ihr habt schon oft davon die Erfahrung gemacht, es ist hohe Zeit, Nutzen daraus zu ziehen. Es ist eine traurige Erfahrung, dass sich die Wahrheit einen Weg durch Blut bahnen muss.“ Bei Weitling wird Jesus zum ersten Kommunisten, was Marx zu sarkastischen Bemerkungen veranlasste. Den Glauben will er in den Dienst der kommunistischen Propaganda stellen. So geschieht es im „Evangelium eines armen Sünders“. Später baute er den Gedanken vom revolutionären Kampf der Volksmassen als dem wichtigsten Mittel zur Erreichung der Kommunistischen Gesellschaft weiter aus, sah aber in der Revolution letztlich nur einen elementaren und zerstörenden Ausbruch der verzweifelten Volksmassen. Die wissenschaftliche Einsicht in die Entstehungsursachen der Übel des Kapitalismus und den Doppelcharakter der Befreiungsmission der Arbeiterklasse blieb ihm versagt. Den Kommunismus hielt Weitling jederzeit für möglich. Weitlings Kommunismus war eine „Reproduktion der französischen Ideen innerhalb der durch die kleinen Handwerksverhältnisse beschränkten Anschauungsweise“, heißt es in der „Deutschen Ideologie“. (MEW 3/449)

Der Magdeburger Schneidergeselle, dessen Hauptwerk, die „Garantien der Harmonie und Freiheit“ von Marx als „maßloses und brillantes literarisches Debüt der deutschen Arbeiter“ (MEW 1/405) gewürdigt wurde, den Heine und Feuerbach hoch schätzten, den Rosa Luxemburg als „genial“ bezeichnete,  hat die Arbeiterbewegung im Prozeß ihrer Entwicklung zur selbständigen politischen Kraft einen bedeutsamen Schritt vorwärts geführt. Sein Zukunftssystem, obwohl insgesamt utopistisch, weil es seiner Zeit abverlangte, was die geschichtlichen Bedingungen noch nicht hergaben, hatte einen fest verankerten proletarischen Kern. Außerdem: „Zur Begründung des Wissenschaftlichen Kommunismus gehörte mehr, als ein Proletarier unter den Bedingungen der kapitalistischen Arbeitsfron und des Bildungsprivilegs zu leisten vermochte“, schreibt Waltraud Seidel-Höppner in ihrem Buch: „Wilhelm Weitling, der erste deutsche Theoretiker und Agitator des Kommunismus“, S.198. Weitling sperrte sich jedoch gegen Marx. In demselben Verhältnis, in dem Weitling seine Utopie verteidigt, entfremdet er sich damit der Arbeiterbewegung.

Das von Weitling verfasste Programm widersprach dem Bemühen nach Kürze. Diesen Anspruch erfüllte der Katechismus (Frage-Antwort) bzw. das Glaubensbekenntnis. Von solcher Art war ein Fragment KarlSchappers, Gründungsmitglied des Bundes. Es nennt sich „Gütergemeinschaft“ und war vermutlich ein Konkurrenzprogramm zu dem von Weitling. Schappers Fragespiegel wurde faktisch zum Ausgangspunkt weiterer Überlegungen. Auch er malte die künftige kommunistische Gesellschaft im einzelnen aus, beinhaltete aber zugleich programmatische Gedanken, die die Arbeiterbewegung noch lange begleiten sollten. So das Problem der Verteilung nach der Leistung als eines noch nicht konsequent kommunistischen Prinzips. Kernstück des kollektiv erarbeiteten Denkens im Bund der Gerechten von 1838 war für Weitling und Schapper: die „feste und innige Überzeugung…, dass nur dann die Menschheit wirklich frei und glücklich wird, wenn alle Menschen, nach Völkern, in einem Staatsverbande leben, wo alle völlig gleiche Rechte an den Gütern der Erde und deren Genuss besitzen und wo alle gleichmäßig auf irgendeine Weise an deren Hervorbringung oder Erhaltung zum gemeinschaftlichen Wohle aller arbeiten, wenn also Gütergemeinschaft besteht.“ (Hundt, 1973/19)

Wie ging es nun weiter mit der Diskussion im Bund der Gerechten?

Durch die Niederschlagung des Aufstandes der in Frankreich als revolutionäre Geheimorganisation 1837 entstandenen blanquistischen Gesellschaft der Jahreszeiten am 12. Mai 1839 in Paris, kam es zu einer tiefen Krise der theoretischen Entwicklung im Bund der Gerechten. Unter dem Eindruck einer Kabinettskrise der konstitutionellen Monarchie war von den Blanquisten beabsichtigt, durch kühnen Handstreich eine revolutionäre Diktatur zu errichten. Im Ergebnis der schnellen Niederlage dieses Putsches und der Gleichgültigkeit des unvorbereiteten Volkes wurde der Gedanke der Revolution für einige Jahre verworfen. Zwischen Putsch und Revolution konnte man noch nicht unterscheiden. Der Bund beendete seine Verbindung zu den Blanquisten. Es begann die Zeit der engsten Anlehnung an Etienne Cabet, der den Kommunismus durch friedliche Propaganda, zu der auch die Einrichtung „kommunistischer“ Musterkolonien in Amerika (anknüpfend an den kritisch-utopischen Sozialisten Robert Owen) dienen sollte, einführen wollte. Er hat den utopischen Roman „Reise nach Ikarien“ verfasst (Ikarien ist das Ergebnis einer Revolution, die vom Volke und im Interesse des Volkes durchgeführt wurde, an der Spitze des bewaffneten Aufstandes stand der Volksheld Ikar, der zum Diktator ausgerufen, eine Umgestaltung zum Kommunismus einleitet).

Hermann Ewerbeck

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Katechismus des Pariser Bundesmitglieds Hermann Ewerbeck. Den Gegensatz von Kapitalismus und Kommunismus fasste er in Begriffe wie Disharmonie und Harmonie, egoistischer Mensch und Gesellschaftsmensch, Vereinzelung und Assoziation. Er sprach vom Kommunismus als „Sozialsystem“. Den Kapitalismus bestimmte er als nachfeudale Stufe der menschlichen Entwicklung, sah aber nicht seine zeitweilige Notwendigkeit. Ewerbeck hatte einiges von Marx gelesen – Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie; Zur Judenfrage -, aber sein Katechismus, wenige Monate vor den Feuerbach-Thesen geschrieben, spiegelte Marx sehr eigenartig wider. Die Revolution, die Marx in das gesellschaftliche Denken einbrachte, fehlte hier völlig. Ewerbeck propagierte Cabet und übersetzte ihn. Das war die reformistische Linie in Paris.

In London, wo die größte internationale Zweigorganisation des Bundes der Gerechten ihren Sitz hatte, entwickelte es sich anders. Die sogenannte „Londoner Diskussion“ von 1845 nimmt in der Vorgeschichte des „Manifestes“ einen bedeutenden Platz ein. Hier verabschiedete sich der Bund von den utopischen Lehren, die keine befriedigenden Antworten gaben und in der Praxis zu Misserfolgen führten. Engels sprach von einer „stillen Umwälzung“, die sich im Bund und unter den Londoner Leitern vollzog, weil die Erfahrungen im Zentrum des kapitalistischen Weltmarktes andere waren, als die in der zurückgebliebenen Schweiz bei Weitling. Der Weg zur Aufnahme des Marxismus wurde frei gemacht. „Die Unzulänglichkeit der bisherigen Auffassung des Kommunismus, sowohl des französischen einfachen Gleichheitskommunismus wie des Weitlingschen, wurde ihnen mehr und mehr klar.“ (MEW 21/214)

Der Abschied des Bundes der Gerechten von der Utopie war also abgemacht. Wie sah nun dieser Abschied aus?

Ende 1844 hatte man beschlossen, die Differenzen, die es im Bund zwischen der Londoner Leitung und Weitling aufgrund der praktischen Erfahrungen gab, durch eine allgemeine Diskussion zu entscheiden. Dazu arbeitete Weitling 18 Fragen aus, die die Londoner Diskussion strukturierten. Ich gehe hier nur auf Frage 7 und Frage 10 ein. Das ganze Protokoll der Diskussion ist nachzulesen in der Gemeinschaftsarbeit DDR/UdSSR: Der Bund der Kommunisten, Dokumente und Materialien, Berlin 1970, Band 1, 1836-1849, S. 214ff (Dokument 64).

Frage 7: Welche Leute haben das meiste Interesse für die Einführung des Kommunismus und welche von diesen die meisten Mittel zur Beschleunigung der Einführung desselben. Da Weitling die Frage nicht beantworten konnte, warum es bisher noch keinen Kommunismus gab, wenn er doch immer möglich sei, führte sein Weg auch nicht zum Wissenschaftlichen Kommunismus. Er entwickelte abenteuerliche Konstruktionen von einer Koalition aus persönlichen Gründen wohlmeinender Fürsten, des Lumpenproletariats, der stets begeisterungsfähigen Jugend und der gefühlsbetonten Frauen. Ihm wurde entgegnet: „Nein! die Arbeiter werden es tun.“ Hier kam nun das erste Eingreifen von Marx und Engels in die Diskussion, sie trafen sich im Juli und August 1845 mit den Leitern des Bundes der Gerechten in London. Engels soll einige Exemplare seines Buches „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ befreundeten Bundesmitgliedern überreicht haben. Und so hieß es dann: „Lassen wir uns ein Beispiel an den Gelehrten nehmen und richten wir unser Augenmerk auf die Fabrikstädte.“

Ein letztes großes Aufeinanderprallen der Meinungen brachte die Diskussion der Frage 10.

Frage 10: Welches ist der von jedem System unabhängige Kern des vollkommenen Kommunismus? Prüfung der verschiedenen modernen und alten Systeme an dem Kern des Kommunismus.

Weitling meinte: „Das, was ich tue, muß für alle gut sein.“ Bis zur klassischen Formulierung des „Manifestes“ war es noch ein weiter Weg. Ihr erinnert euch: „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eine jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“ (MEW 4/482) Schapper fasste die Antwort auf Frage 10 so zusammen: „Wenn wir auf die menschliche Natur zurückgehen, so wird der Mensch nur in der Arbeit sein Glück finden. Arbeit und Genuss werden abwechseln, und eines jeden Glück wird vollkommen werden. Kein Zwang muss sein, denn der Mensch ist nicht faul; wenn der Mensch auf einer richtigen Stufe der Bildung steht, so wird er freudig arbeiten.“ Kommunismus lässt sich nicht auf die Befriedigung materieller Güter beschränken. „Nein, das Volk soll Mensch werden, es soll besonders geistig glücklich werden.“

Im Ergebnis der Londoner Diskussion wurde beschlossen, Feuerbach zu studieren: „Religion und Zukunft“ – und wissenschaftliche Fragen zu beraten. Dieses Streben zum Studium der Philosophie war ein Ergebnis des Zusammentreffens mit Marx und Engels in London. Das Ringen um ein wissenschaftliches Programm des Bundes der Gerechten ging also weiter. In bestimmten Fragen stand man dem Marxismus schon recht nahe: Nutzlosigkeit der Utopie, Internationalismus des Kommunismus, Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen, Notwendigkeit gewaltsamer Revolution und Beseitigung des Privateigentums, in Deutschland steht die bürgerliche Revolution auf der Tagesordnung. Die Frage aber, wie die kapitalistische Produktionsweise in ihrer Entstehung, ihrer Entwicklung und ihrem Untergang zu erklären ist, konnte mit Feuerbach nicht beantwortet werden. Die weitgehende Unklarheit über die Ökonomie des Kapitalismus hemmte die theoretische Entwicklung des Bundes. Martin Hundt schreibt: „Bis zur theoretischen Besitzergreifung der modernen kapitalistischen Industrie durch die revolutionäre Arbeiterbewegung musste ein weiter und schwieriger Weg des Um- und Neudenkens zurückgelegt werden.“ (Hundt 1973/37) Sehr schwer fiel es den frühproletarischen Handwerkern einzusehen, dass die kapitalistische Ausbeutung, die kapitalistische Industrie, gegenüber dem Feudalismus einen Fortschritt darstellte. Geniale Gedanken, in denen z. B. Weitling sich mit seiner Sicht auf die Rolle der Maschinen der marxistischen Sicht näherte, waren nicht zu übersehen. Illusionen wurden aufgegeben, Träume verworfen – auch hinsichtlich der abstrakten Gleichheitsforderung. Das war unbedingt im proletarischen Interesse. Nicht nur, dass Wissenschaft Illusionslosigkeit voraussetzt, nein – es gilt vor allem, dass „der Eigentumslosigkeit der Arbeiter nur die Illusionslosigkeit ihrer Köpfe entsprechen“ kann. (MEW 21/494) Sich dem historischen Materialismus zu nähern, bedeutete auch, sich einzugestehen, dass der Kommunismus gerade nicht zu jeder beliebigen Zeit möglich ist – weder durch einen Putsch noch durch große Sprünge. Die Verwirklichung des Kommunismus ist an ganz bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen gebunden. Marx und Engels hatten dies bereits herausgearbeitet: große Steigerung der Produktivkraft, hoher Grad ihrer Entwicklung. (MEW 3/34)

Der Bund war also auf dem Weg zu erkennen, dass der Kommunismus als Theorie nur der weltanschauliche Ausdruck der Interessen der Arbeiterklasse sein kann und als Praxis nur durch die Verwirklichung der historischen Mission entsteht.

Konnte es 1844 noch keine Verschmelzung von Marxismus und Arbeiterbewegung geben, so war das 1845/1846 schon anders. Wir können aus der Entstehungsgeschichte des „Manifestes“ die Schlussfolgerung ziehen, dass sich die „Herausbildung des Marxismus…in genauester Kenntnis der theoretischen Bedürfnisse der Arbeiterbewegung vollzog.“(Hundt 1973/55) Keine der aufeinander zustrebenden Richtungen ließ auch nur einen Tag ungenutzt: die einen hatten sich von der Utopie ab- und der Wissenschaft zugewandt – hier dem Studium Feuerbachs, von Marx und Engels empfohlen. Die anderen wollten ihre wissenschaftlichen Resultate nicht nur aufschreiben, sondern die Arbeiter für ihre Überzeugung gewinnen – dafür hatten sie einen taktischen Plan. „Dieses rasche Beschreiten der aufeinander zuführenden Wege hatte seine Ursache in erster Linie in der historischen Notwendigkeit und daher im objektiven und bald auch bewussten Bedürfnis nach Vereinigung, aber auch in der bereits vorhandenen Bekanntschaft miteinander.“ (Hundt 1973/50) Das „Manifest“ begründet, dass der Bildungsprozess der Kommunistischen Partei, zu dem die Vereinigung von Wissenschaft und Arbeiterbewegung gehört, ein gesetzmäßiger Prozeß ist, der aus dem Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital resultiert.

Feuerbach, der eifrig studiert wurde, fasste die prakltische-menschliche Tätigkeit nur abstrakt theoretisch auf. Der damit verbundene Kultus des abstrakten Menschen, die Schwäche des Feuerbachschen Materialismus, wurde vom „wahren Sozialismus“ (Karl Grün) ausgenutzt. Friedrich Engels begründet die Notwendigkeit der Bekämpfung dieser Art theoretischen Unsinns in seiner Arbeit „Der Status quo in Deutschland“: „Der wahre Sozialismus ist durch und durch reaktionär. Die Bourgeoisie hat diese reaktionäre Tendenz des wahren Sozialismus längst gemerkt. Sie hat aber diese Richtung ohne weiteres für die literarische Repräsentantin auch des deutschen Kommunismus genommen und den Kommunisten  öffentlich und privatim vorgeworfen, daß sie mit ihrer Polemik gegen Repräsentativverfassung, Geschworenengerichte, Pressfreiheit, mit ihrem Geschrei gegen die Bourgeoisie nur den Regierungen, der Bürokratie, dem Adel in die Hände arbeiteten. Es ist hohe Zeit, daß die deutschen Kommunisten endlich diese ihnen zugemutete Verantwortlichkeit für die reaktionären Taten und Gelüste der wahren Sozialisten ablehnen. Es ist hohe Zeit, daß die deutschen Kommunisten, die das deutsche Proletariat mit seinen sehr deutlichen, sehr handgreiflichen Bedürfnissen repräsentieren, sich aufs allerentschiedenste trennen von jener literarischen Clique…, die selbst nicht weiß, wen sie repräsentiert, und deshalb wider Willen den deutschen Regierungen in die Arme taumelt…. In der Tat, wir Kommunisten haben nichts gemein mit den theoretischen Hirngespinsten und Gewissensskrupeln dieser spitzfindigen Gesellschaft. Unsre Angriffe auf die Bourgeoisie unterscheiden sich ebensosehr von denen der wahren Sozialisten, wie sie sich von denen des reaktionären Adels, z.B. der französischen Legitimisten oder des Jungen Englands, unterscheiden.“ (MEW 4/ 40)

Der „Wahre Sozialismus“ kannte keine Klasseninteressen und verwandelte alle kommunistischen Anschauungen in „liebesschwülen Gemütsstau“ (MEW 4/487) allgemeiner Menschlichkeit, gab sich aber als kommunistisch aus. Die Auseinandersetzung mit ihm erfolgt im dritten Abschnitt des „Manifestes“, der sich insgesamt mit der sozialistischen und kommunistischen Literatur der damaligen Zeit befasst. Er enthält die Grundsätze der Ideologiekritik des Marxismus und ist deshalb als einziger Teil des „Manifestes“ von Marx und Engels auch separat abgedruckt worden.

Die Naziideologie wandelte auf den Spuren des „wahren oder deutschen Sozialismus“. Hans Günther hat das in „Der Herren eigner Geist“ analysiert. (Reprint Akademie-Verlag Berlin 1981, S. 121ff) Walter Ulbricht schrieb „Ein Lehrbuch für das deutsche Volk über das Wesen des Faschismus“ – es hieß: Die Legende vom „Deutschen Sozialismus“, Verlag Neuer Weg Berlin 1946.

Marx und Engels, die sahen, dass die Gefahr des „wahren Sozialismus“ mit seinem rechten Opportunismus bekämpft werden musste, hatten zum Erfahrungsaustausch und zur Verbreitung des Wissenschaftlichen Kommunismus Anfang 1846 das Kommunistische Korrespondenzkomitee mit Sitz in Brüssel gegründet. Dieses Komitee arbeitete mit Briefen und Zirkularen, es sollte einzelne Theoretiker, kleine sozialistische Gruppen und Zeitungsredaktionen in regelmäßigen Kontakt bringen sowie gemeinsame Stellungnahmen verfassen, später auch organisatorische Bindungen herstellen. Wo die Bemühungen Erfolg hatten, da bestand Aussicht auf Zusammenarbeit. Das Proletariat verstand seine Stellung immer umfassender, die sein Selbstbewusstwerden begleitenden Theorien hielten – außer dem Marxismus – den Anforderungen der Praxis des Klassenkampfes aber nicht stand. Die damit verbundene Verwirrung unter den sozialistischen Gruppen in mehreren Ländern war ein fruchtbarer Boden für den Eklektizismus „wahren Sozialismus“. Aus der Tätigkeit des KK ist der Zirkularbrief gegen den „Wahrsozialisten“ Kriege überliefert. (MEW 14/3ff) Im Juni 1846 schlugen Marx und Engels vor, einen allgemeinen kommunistischen Kongreß vorzubereiten. Eine Idee, die dann 1847 in Form des I. und II: Kongresses des Bundes der Kommunisten verwirklicht wurde. Am 30. März 1846 kam es zu einer Sitzung des Brüsseler Korrespondenzkomitees an der Weitling und Marx teilnahmen. Marx kritisierte scharf die „links“sektiererischen Ansichten Weitlings. Und indem er mit der Faust auf den Tisch schlägt beendet er seine Rede mit den Worten: „Niemals noch hat die Unwissenheit jemandem genützt!“ (Bdk 1/305; Hundt 1973/66)

Proudhon

Untrennbarer Bestandteil der Programmentwicklung war die Auseinandersetzung mit Proudhon – Karl Marx: „Das Elend der Philosophie“. Proudhon war ein kleinbürgerlicher Sozialist, der mit seinen Genossenschafts- und Tauschbankideen zwar dem Denken der Arbeiter sehr nah kam, aber in Wirklichkeit im Rahmen des Kapitalismus blieb. Was für verheerende ideologische Folgen das Fehlen eines Programms hatte, wurde Engels im Herbst 1846 in Paris klar, wo er an einer Sitzung des Bundes der Gerechten teilnahm. Hier in Paris hatte sich der Proudhonismus ausgebreitet. Als Engels fragte, ob man hier als beliebige Menschen oder als Kommunisten zusammen säße, erregte das Entsetzen. Es wurde schließlich die Grundfrage aufgeworfen: Was ist Kommunismus? Nach zehn Jahren wußte der Bund noch keine befriedigende Antwort. Friedrich Engels definierte die Absichten der Kommunisten dahin: „1. die Interessen der Proletarier im Gegensatz zu denen der Bourgeoisie durchzusetzen; 2. dies durch die Aufhebung des Privateigentums und Ersetzung desselben durch die Gütergemeinschaft zu tun; 3. kein andres Mittel zur Durchführung dieser Absichten anzuerkennen als die gewaltsame, demokratische Revolution.“ (MEW 27/61)

Für Marx war klar, dass die Mitglieder der Bundesleitung allein zu keinem wissenschaftlichen Programm kommen konnten. Mit seinem Anti-Proudhon, der als Angriff gegen das Unverständnis Proudhons für die Zusammenhänge des historischen Materialismus und als bedeutende Vorarbeit für das „Kommunistische Manifest“ zu verstehen ist, ergab sich die Möglichkeit, den Leitern des Bundes indirekt die vorhandenen theoretischen Unzulänglichkeiten deutlich zu machen. Das „Elend der Philosophie“ war die entscheidende Vorarbeit für den I. Kongreß des Bundes der Kommunisten. Der Marxismus trat erstmals in seiner bis dahin reifsten Gestalt an die Öffentlichkeit. Die Einheit und Notwendigkeit von ökonomischem und politischen Klassenkampf wurde bewiesen, die historische Mission des Proletariats und das Wesen des Kommunismus klar formuliert, Proudhons System als das bestehende kapitalistische überführt. Ein Vergleich des „Elends der Philosophie“ mit dem „Kommunistischen Manifest“ zeigt, dass ohne den Entwicklungsstand des Marxismus im Anti-Proudhon der entscheidende Kern eines wissenschaftlichen Programms undenkbar gewesen wäre.

Ende der Utopie

Die theoretische Krise des Bundes der Gerechten von 1846 hatte zum Ergebnis, dass jetzt völlig klar war, die Flucht von einer utopischen Schule zu einer anderen war kein Ausweg, dem Verständnis des eigenen Kampfes waren alle diese Theorien nicht förderlich. Die Programmlosigkeit war die Wurzel allen Übels im Bunde. So lautete die Frage: Was tun? Die Fronten im Klassenkampf, die Auseindersetzung mit ihrer Verwischung im „wahren Sozialismus“ bedurften einer auf wissenschaftlichem Niveau stehenden offenen polemischen ideologischen und politischen Klärung. Die unmittelbare Teilnahme von Marx und Engels an der Diskussion seit 1843 wirkte sich sehr positiv aus. Durch das Korrespondenzkomitee erreichte sie auch eine organisatorische Form. 

Es zeigte sich, „dass die Arbeiterbewegung zwar zum Kommunismus drängte, allein auf sich gestellt aber nicht in der Lage war, die gesamte Problematik zu bewältigen.“ (Hundt, Bund der Kommunisten, 1988/184). Die aus dem Arbeiterkommunismus gewonnen Erkenntnisse blieben lebendig: Notwendigkeit einer Revolution, Abwendung von putschistischen Ideen, Hinwendung zur langfristigen und möglichst legalen propagandistischen und organisatorischen Tätigkeit unter den Arbeitern, Ablehnung kommunistischer Kolonien als Hauptmethode der Einführung des Kommunismus und der bei Cabet damit verbundenen Auswanderungspläne.

Mit ihrem wachsenden Einfluss auf den Bund der Gerechten gewannen Marx und Engels zugleich konkretere Anhaltspunkte für die Ausarbeitung ihrer Theorie. In Deutschland reifte 1847 eine revolutionäre Situation heran. Es nahte die bürgerliche Revolution. Marx und Engels traten Anfang 1847 in den Bund der Gerechten ein. Zuvor, im Herbst 1846 übernahm die Londoner Organisation die Leitung des Bundes der Gerechten. Beides war eine entscheidende Wende in der Bundes- und Programmentwicklung. In ihrer ersten Ansprache an den Bund im November 1846 ging die neue Leitung davon aus, dass ein einfaches „Kommunistisches Glaubensbekenntnis“ nötig sei, um die Uneinigkeit im Bund hinsichtlich der Frage, wie die kapitalistische Gesellschaft zu bekämpfen sei, beseitigt wird. Dazu wurden konkrete Fragen und Anweisungen zur Programmdiskussion herausgegeben. In der zweiten Ansprache an den Bund vom Februar 1847 erfolgte die Aufnahme der vollständigen Revision der bisherigen Statuten als Tagesordnungspunkt des I. Bundeskongresses. Drei Fragen wurden für die weitere Programmdiskussion gestellt: 1. Was ist Kommunismus , und was wollen die Kommunisten? 2. Was ist Sozialismus, und was wollen die Sozialisten? 3. Auf welche Weise kann die Gemeinschaft am schnellsten und leichtesten eingeführt werden? Zu beantworten war bei (3) auch die Frage nach der Ausgestaltung der als notwendig erachteten Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Offen kritisiert wurden die Fourieristen, die die kommunistische Gesellschaft bis in jedes Detail auszumalen versuchten.

Auf dem I. Bundeskongress im Juni 1847 wurde der Bund der Gerechten in Bund der Kommunisten umbenannt. Das war zwingend erforderlich: Erstens bedurfte ein revolutionäres Parteiprogramm einer revolutionären Partei, deren Lebensäußerung es ist. Zweitens machte das Heranreifen der bürgerlichen Revolution die Schaffung einer Partei der Arbeiterklasse zur dringenden Aufgabe. Zur Umbenennung des Bundes der Gerechten gehört zugleich die Änderung der Bundeslosung in „Proletarier aller Länder, vereinigt euch“ statt „Alle Menschen sind Brüder“. Der Kongreß nahm einen Statutenentwurf an, in dem das alles verankert war. Zur Umbenennung wurde argumentiert: Um für Gerechtigkeit einzutreten, muß man nicht unbedingt Kommunist sein. Die Bundesmitglieder sind Kommunisten, weil sie die bestehende Gesellschaftsordnung und das Privateigentum angreifen und weil sie für die Gütergemeinschaft sind. Die Ideologie des Bundes war internationalistisch. Das durchgängige Organisationsprinzip war der demokratische Zentralismus– also die dialektische Einheit von Zentralismus und Demokratie. JeglicherAutoritätsaberglaube“, „sektiererisch-verschwörerische Züge“ wurden abgelehnt(der Organisationsaufbau muss dem wissenschaftlichen Herangehen entsprechen).Das hatten Marx und Engels bereits bei ihrem Eintritt in den Bund der Gerechten zur Bedingung gemacht.

Eine feste organisatorische Grundlage für die Erarbeitung des Parteiprogramms war nun vorhanden. Als erster Programmentwurf wurde der hauptsächlich von Engels verfasste „Entwurf des kommunistischen Glaubensbekenntnisses“ von der Londoner Zentralbehörde versandt. Das war ein Entwurf, in dem der Marxismus, vertreten durch Engels, noch unmittelbar mit Überresten utopischen Denkens ringt. Er war auch noch in der gewohnten Form des Katechismus abgefasst – 22 Fragen und Antworten (veröffentlicht in: BdK 1, 470-475). Bestimmend war aber die Absicht der Delegierten, „durch fortwährende Berücksichtigung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die allein den Kommunismus erzeugt haben, stets einen sicheren Boden unter unsern Füßen zu behalten.“ (Bdk 1, 485) Dennoch gab es im Entwurf deutliche Kompromissformulierungen. So wurde auf die Entwicklung der Produktivkräfte hingewiesen, um dann auf die „ewigen Wahrheiten“ abzustellen, gewissermaßen die menschliche Natur, Sätze, die keines Beweises bedürften und für jeden Menschen gelten. In den Fragen 7 bis 13 wurde eine historisch-materialistische Begründung des Kommunismus gegeben – mit Sätzen aus dem „Elend der Philosophie“ und aus „Lohnarbeit und Kapital“, Revolutionen werden als Ergebnis objektiver gesellschaftlicher Prozesse aufgefasst, Verschwörungen wurden als schädlich eingestuft. Behandelt wird die Frage der Notwendigkeit einer Übergangsperiode. Zur Illustration die Frage 13 und die Antwort: “ Ihr glaubt also nicht, dass die Gütergemeinschaft zu jeder Zeit möglich war? Antwort: Nein. Der Kommunismus ist entstanden, seitdem es die Maschinen und anderen Erfindungen möglich machten, allen Mitgliedern der Gesellschaft eine allseitige Ausbildung, eine glückliche Existenz in Aussicht zu stellen. Der Kommunismus ist die Lehre von einer Befreiung, die nicht den Sklaven, den Leibeignen oder den Handwerkern möglich war, sondern erst den Proletariern, und daher gehört er notwendig dem neunzehnten Jahrhundert an und war zu keiner früheren Zeit möglich.“ (BdK 1, S. 473)

Alle Mitglieder des Bundes waren aufgefordert, sich an der Programmdiskussion zu beteiligen.

II. Bundeskongress

Der Programmparteitag, wie wir heute sagen würden, war der II. Bundeskongress im Dezember 1847. Martin Hundt schätzt ein: „Es kam zwischen dem I. und dem II. Kongreß zur ersten umfassenden Programmdiskussion in der Geschichte der Arbeiterbewegung. Sie war ein unerlässliches, ein konstitutives Element im Entstehungsprozess der ersten internationalen Partei des revolutionären Proletariats. (Hundt 1973 / 97) Organisatorisches Zentrum der Programmdiskussion war London, das geistige Zentrum – Brüssel – Marx und Engels.

Aus der Zeit zwischen dem I. und dem II. Bundeskongress sind zwei Ereignisse besonders bemerkenswert.

Erstens geht es um den Artikel „Proletarier“ von Karl Schapper, der in der „Kommunistischen Zeitschrift“ veröffentlicht wurde. Schapper ließ hier alle überwundenen Etappen der theoretischen Entwicklung des Bundes der Gerechten Revue passieren. Kommunisten sind keine Systemkrämer, keine Anhänger von „Liebesduselei“, keine Pazifisten, die jetzt schon Frieden predigen, während sich ihre Gegner an allen Orten zum Kampf rüsten, sie sind keine Verschwörer. Dann: „Wir sind keine Kommunisten, welche glauben, dass gleich nach siegreich bestandenem Kampfe die Gütergemeinschaft wie durch einen Zauber eingeführt werden kann. Wir wissen, dass die Menschheit keine Sprünge macht, sondern nur Schritt für Schritt vorwärts geht. Wir können nicht über Nacht aus einer unharmonischen in eine harmonische Gesellschaft eingehen, es bedarf hierzu einer nach Umständen längeren oder kürzeren Übergangsperiode. Das Privateigentum kann nur nach und nach in gesellschaftliches Eigentum umgewandelt werden.“ Die Haupterkenntnis des Bundes nach zehn Jahren Debatte war: Nicht utopische Systeme, sondern nur eine wissenschaftliche Auffassung vom Kommunismus kann den Weg nach vorn weisen.

Zweitens hatte es in Paris Moses Heß unternommen, mit einer Neufassung das Glaubensbekenntnis opportunistisch zu verstümmeln. Engels nahm das Papier Punkt für Punkt auseinander. Ergebnis: Er wurde mit der Neufassung einer Stellungnahme  zum Glaubensbekenntnis beauftragt. So entstanden die „Grundsätze des Kommunismus“ (MEW 4/361ff). Der Aufbau des Glaubensbekenntnisses als Katechismus blieb erhalten. Die Grundsätze waren durchgängig auf der Höhe der materialistischen Geschichtsauffassung und gingen in einigen Punkten über das „Manifest“ hinaus. Engels entwickelte z. B. die Idee der gesamtgesellschaftlichen Planung. Er bemerkte schließlich, dass die Katechismusform nicht zu fassen vermochte, was das Programm nun aussagte. An Marx schrieb er: „Ich glaube, wir tun am besten, wir lassen die Katechismusform weg und titulieren das Ding: Kommunistisches Manifest: Da darin mehr oder weniger Geschichte erzählt werden muß, passt die bisherige Form gar nicht.“ (MEW 27/107) Die Grundsätze hatten ein sehr große Bedeutung für die Endfassung des „Manifestes“, waren das bedeutendste Ergebnis der Programmdiskussion und seine direkte Vorstufe. Engels brachte auch ein ökonomisches und soziales Programm mit, das die 17 Forderungen der Kommunisten für Deutschland vorwegnahm.

Vom 29. November bis zum 8. Dezember 1847 tagte in London der II. Kongreß des Bundes der Kommunisten, Präsident des Kongresses war wieder Karl Schapper. Beschlossen wurde ein stark verbessertes Statut und die Abfassung des „Kommunistischen Manifestes“. Aller Widerspruch und Zweifel wurden nach 10 Tagen ausführlicher Debatte endgültig beseitigt. Im Statut hieß es: „Der Zweck des Bundes ist der Sturz der Bourgeoisie, die Herrschaft des Proletariats, die Aufhebung der alten, auf Klassengegensätzen beruhenden bürgerlichen Gesellschaft und die Gründung einer neuen Gesellschaft ohne Klassen und ohne Privateigentum.“

In der zweiten Dezemberhälfte 1847 schrieben Marx und Engels am „Manifest“. Sie hatten dazu sämtliche schriftlich vorliegenden Ergebnisse der Programmdiskussion des Bundes von der Zentralbehörde mitbekommen. Ende Dezember reiste Engels nach Paris und Marx vollendete im Januar 1848 die Niederschrift, er gab dem „Manifest“ die endgültige sprachliche Form. Februar 1848 erschien das „Manifest“, in das Marx und Engels gemäß des ihnen erteilten Auftrages alle vier Phasen der Programmdiskussion des Bundes entsprechend dem im Dezember 1847 erreichten Stand eingearbeitet haben. Die imFragenkatalog der Londoner Diskussion aufgenommen Fragen wurden im „Manifest“ als Einwürfe der Bourgeoisie gegen den Kommunismus bzw. die Kommunisten behandelt. Das „Manifest“ ist ein Dokument gemeinsamen Strebens und gegenseitiger Bereicherung von Theorie und Praxis.

Hören wir zum Schluss den Kampfgefährten von Marx und Engels Friedrich Leßner. Er brachte das „Manifest“ zum Drucker und hat 1898 seine Erinnerungen unter dem Titel veröffentlicht „Vor 1848 und nachher. Erinnerungen eines alten Kommunisten“.

Leßner schreibt: „Das erste Aufblitzen des kommunistischen Gedankens (gemeint ist Wilhelm Weitling – H.M.) hatte mich geblendet. Als ich aber Karl Marx im Jahre 1847 gehört und das ‚Kommunistische Manifest‘ gelesen und verstanden hatte, wurde es mir klar, dass Enthusiasmus und guter Wille einzelner Personen nicht genügten, eine Umgestaltung der menschlichen Gesellschaft herbeizuführen. In dem Momente, wo ich gelernt hatte, die wirtschaftliche Entwicklung als einen entscheidenden Faktor in der Menschheitsgeschichte zu würdigen, wurde ich nüchtern und klarblickend. Und was ich an Enthusiasmus und Phantasie verlor, gewann ich an Zielbewusstheit und Wissen.“ (Friedrich Leßner, Ich brachte das „Kommunistische Manifest“ zum Drucker, Dietz Verlag Berlin 1975, S. 45)

Ich danke für die Aufmerksamkeit!

Weiterführende Literatur

Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei. Mit einem Anhang: Entwurf des Kommunistischen Glaubensbekenntnisses und Grundsätze des Kommunismus von Friedrich Engels, versehen mit einem ausführlichen Nachwort von Hans Kliem, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1985.

Friedrich Engels, Zur Geschichte des „Bundes der Kommunisten“, MEW, Dietz Verlag Berlin 1962, Bd. 21, S. 206ff.

Martin Hundt, Wie das „Manifest“ entstand, Dietz Verlag Berlin 1973 und 1985.

Ders. (Hrsg.), Bund der Kommunisten 1836-1852, Studienbibliothek DDR-Geschichtswissenschaft, Band 9, Akademie-Verlag 1988.

Waltraud Seidel-Höppner, Wilhelm Weitling der erste deutsche Theoretiker und Agitator des Kommunismus, Dietz Verlag Berlin 1961.

Herweg Förder, Marx und Engels am Vorabend der Revolution, Akademie-Verlag Berlin 1960.

Rudolf Herrnstadt, Die erste Verschwörung gegen das internationale Proletariat. Zur Geschichte des Kölner Kommunistenprozesses, Rütten&Loening, Berlin 1958.

Der Bund der Kommunisten, Dokumente und Materialien, Berlin 1970, Band 1, 1836-1849

Friedrich Leßner, Ich brachte das „Kommunistische Manifest“ zum Drucker, Dietz Verlag Berlin 1975.