Ist nicht doch irgendwo Substanz, ein nachdenkenswerter Ansatz oder ein Körnchen Wahrheit in der „neuen Marxlektüre“ zu finden? Man nehme das Beispiel von der Methusalem-Maschine, die vom Kapitalisten nach Ablauf der erwarteten Lebenszeit längst „abgeschrieben“ ist, aber nicht abtreten will. Schafft da nicht vielleicht doch das konstante Kapital den Mehrwert?
Ein Beitrag von:
D
Ist nicht doch irgendwo Substanz, ein nachdenkenswerter Ansatz oder ein Körnchen Wahrheit in der „neuen Marxlektüre“ zu finden? So wurde aus dem Hessischen erst einmal ganz allgemein nachgehakt, um dem Referenten noch etwas detailliertere Informationen zur Kritik an der Arbeitswerttheorie zu entlocken.
Als das nicht half, kam das Beispiel von der Methusalem-Maschine (MM), die vom Kapitalisten nach Ablauf der erwarteten Lebenszeit längst „abgeschrieben“ ist, aber nicht abtreten will und immer weiter läuft. Schafft da nicht vielleicht doch das konstante Kapital des Kapitalisten den Mehrwert? Der Kapitalist ist hoch erfreut. Bei ihm klingelt die Kasse. Ist das nicht ganz genauso wie bei der Mehrwerterhöhung durch Verlängerung des Arbeitstages?
Bei diesem Beispiel stockte der Referent und auch wir verhakten uns im selbstgestrickten Knoten, der auf die Schnelle nicht entwirrt werden konnte.
Grund dafür war vielleicht das nicht unbedingt marxistische Wort von der „Abschreibung“, mit dem die Wertübertragung des konstanten Kapitals auf die vom Kapitalisten unter Einsatz von c + v neugeschaffene Ware unglücklich beschrieben wird. Klar, dass damit keine steuerliche Abschreibung gemeint war. Aber der Begriff „Abschreibung“ lässt doch eher an die Kostenkalkulation des einzelnen Kapitalisten denken. Dass aber nicht die Kosten (=Kostpreis), also die vom einzelnen Kapitalisten vor dem wertschaffenden Arbeitsprozess aufgewandte Kapitalmenge (c + v), sondern allein die zur Warenproduktion gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit den Wert bestimmt, behandelt Marx grundlegend im ersten, dann speziell eingehend auf Verschleiß und Reparatur im zweiten (MEW 24, 169f.) und noch einmal ausführlich im dritten Band des Kapitals, dort mit Erklärung der gängigen Fehlvorstellungen der bürgerlichen Ökonomie und der Warnung, dass der Kostpreis des einzelnen Kapitalisten zwar regelmäßig unter dem Wert seiner Ware liegt, aber es sich doch letztlich um zwei Paar Schuhe handelt, die oft verwechselt werden, jedoch nicht verwechselt werden sollten.
Der in der Ware des Kapitalisten A steckende Wert setzt sich zusammen allein aus der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, die
in dem zu ihrem tatsächlichen Wert (also mit Einschluss der unbezahlten Mehrarbeit) unter Einsatz des konstanten Kapitals von einem anderen Kapitalisten B erworbenen Produktionsmittel enthalten ist und „pro rata“ nach dem gesellschaftlichen Durchschnitt ihrer Lebenserwartung ohne neue Wertbildung im Arbeitsprozess nur übertragen wird und
bei der Herstellung in der Fabrik des Kapitalisten A unter Einsatz des variablen Kapitals als Arbeitslohn wertbildend (inkl. Mehrwert) in das Produkt gesteckt wird.
Marx spricht bei dem Wertbestandteil zu 1. stets nur von Wertübertragung des konstanten Kapitals, die bei Rohmaterial (z.B. Garn) im Ganzen und bei Produktionsmitteln (z.B. Strickmaschine) anteilig („pro rata“) auf die neu geschaffene Ware erfolgt. Diese dient als „Arbeitsaufsauger“ (MEW 23, 204). Die Wertübertragung ist nur „Bedingung“ des Arbeitsprozesses nicht jedoch Teil der Wertbildung (MEW 23, 196), in meinem Beispiel beim nachfolgenden Kapitalisten A. Der mit dem konstanten Kapital beim Kapitalisten B erworbene Wert wird im Betrieb des Kapitalisten A der dort hergestellten Ware nur „zugesetzt“ (deshalb konstant), nicht aber neuer Wert geschaffen.
Also bestimmen die Kosten für den Kauf der MM (=Produktionsmittel) genauso wenig wie die Kosten (Arbeitslohn) für den Kauf der Ware Arbeitskraft den Wert der in der Fabrik des Kapitalisten A gefertigten Ware, sondern allein die Quantität der zu ihrer Produktion im Durchschnitt gesellschaftlich notwendigen allgemein menschliche Arbeit.
Die Lebenszeit der MM spielt keine Rolle. Sie wirkt nicht wertbildend. Ebenso wenig kann normalerweise der unglückliche Konkurrent C, dessen gleichartige Maschine durch Brand, Überschwemmung, einen strengen Winter oder Schlendrian vorzeitig ihre Dienste eingestellt hat, als Kompensation seines Missgeschicks am Markt einen Aufschlag für verfrühte Ersatzbeschaffung durchsetzen. Bei der Wertbildung zählt allein die im Durchschnitt gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur Herstellung der Ware. In diesem Durchschnitt finden zwar auch Reparaturfälle und Verluste durch Havarien usw. (normalerweise geringfügig) Berücksichtigung. Allerdings nur in dem Maß der Häufigkeit solcher Havarien im Durchschnitt aller Produktíonsmittel gleicher Art, so dass der Verlust durch die individuelle Erhöhung des Kostpreises beim Unglücksraben C (soweit keine Versicherung einspringt) dadurch nicht kompensiert wird:
„Bei der Bestimmung des Verschleißes, wie der Reparatur kosten, nachgesellschaftlichem Durchschnitt, ergeben sich notwendig große Ungleichheiten, selbst für gleich große und sonst unter denselben Umständen befindliche Kapitalanlagen in demselben Produktionszweig. In der Praxisdauert für den einen Kapitalisten die Maschine etc. über die Durchschnittsperiode hinaus, bei dem andern nicht so lange. Die Reparaturkosten deseinen sind über, die des andren unter dem Durchschnitt usw.Der durch den Verschleiß, wie durch die Reparatur kosten, bestimmte Preiszuschlag der Ware ist aber derselbe und wird durch den Durchschnitt bestimmt. Der eineerhält also durch diesen Preiszusatz mehr, als er wirklich zusetzt, der andreweniger. Dies, wie alle andren Umstände, die bei gleicher Exploitation derArbeitskraft den Gewinn verschiedner Kapitalisten in demselben Geschäftszweig verschieden machen, trägt dazu bei, die Einsicht in die wahre Naturdes Mehrwerts zu erschweren“
(Kapital Bd. 2, MEW 24, S. 178)
Die Summe der im Beispiel übertragenen Anteile am Wert der MM ist nach oben nicht durch „Abschreibung“ (= Kostpreis des A für diese eine Maschine), sondern in Wahrheit nur durch die Summe des Wertes aller gleichartigen Maschinen (mit unterschiedlicher Lebenserwartung) begrenzt. Der Kostpreis des A ist vielleicht längst durch Verkauf seiner Waren als Revenue in seine Kasse zurückgeflossen. Dennoch ist der Extraprofit, der dort klingelt, nicht durch wertbildende „Arbeit“
seiner MM entstanden, sondern in der Zirkulation durch Verkauf seiner Ware zu ihrem regulären Wert (gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur Herstellung) realisiert worden. Die überlange Lebenszeit der MM erlaubt A lediglich, einen Teil des Wertes der Gesamtheit aller Produktionsmittel gleicher Art in die bei ihm produzierten Waren zu stecken und nach Durchlaufen der Zirkulationssphäre in Geldform als Revenue in seine Kasse zu leiten. Dem Pechvogel C fehlt durch das vorzeitige Ableben seiner Maschine hingegen der Teil seines konstanten Kapitals, der für den Ankauf der gleichartigen Maschine verausgabt wurde, aber durch ihr vorzeitiges Ableben nicht mehr „pro rata“ in die bei C produzierten Waren übertragen und gedeckt werden konnte. Insofern hat A den C und alle Konkurrenten expropriiert, deren gleichartige Maschinen vor der durchschnittlichen Zeit ihr Leben aushauchen.
Titelbild: Foto der Electronic Delay Storage Automatic Calculator im Mathematischen Labor der Universität Cambridge, England, 1948, CC BY 2.0, https://w.wiki/FTMf
Zur Entstehungsgeschichte des „Manifestes der Kommunistischen Partei“
Friedrich Engels hielt es für unmöglich, „dass das ‚Manifest‘ in irgendeiner Sprache herauskommt, ohne dass festgestellt wird, wie es zustande kam.“ Vertiefungen zum Manifest der Kommunistischen Partei – der Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Kommunismus.
Ein Beitrag von:
Herbert Münchow (DKP)
Anmerkung der Redaktion: Wir veröffentlichen hiermit die schriftliche Ausarbeitung zum Referat zur Entstehungsgeschichte des Manifest der Kommunistischen Partei. Das Referat ist ebenfalls auf YouTube zu finden:
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich danke für das Angebot, hier etwas näher auf die Entstehungsgeschichte des „Kommunistischen Manifestes“ einzugehen, die uns u. a. lehrt, dass Arbeiterklasse und Wissenschaftlicher Kommunismus keine Gegensätze sind, wie das von bürgerlicher Seite gern behauptet wird, sondern gemeinsam nach ihrer programmatischen und organisatorischen Vereinigung strebten, die mit der Gründung des Bundes der Kommunisten, dessen Programm das „Manifest“ war, in ihrer ersten Form erfolgte.
Damit genug der Vorrede!
Friedrich Engels hielt es für unmöglich, „dass das ‚Manifest‘ in irgendeiner Sprache herauskommt, ohne dass festgestellt wird, wie es zustande kam. Die Folgerung aus dem II. und der ganze III. und IV. Abschnitt sind sonst völlig unverständlich.“ (MEW 36/380) Philipp ist in seinem Vortrag am 30. März zur Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland auf diese Frage eingegangen. Aber auch in der Vorlesung zu Revolution und Konterrevolution spielte das „Manifest“ eine Rolle. Ich möchte daran anknüpfen und Verschiedenes ergänzen – möglichst noch vertiefen.
1. Die Geburtsurkunde des Wissenschaftlichen Kommunismus
Wir sind es gewohnt, im „Manifest der Kommunistischen Partei“ die Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Kommunismus zu sehen, insofern es auch als Parteiprogramm die erste Form der Vereinigung von wissenschaftlichem Kommunismus und Arbeiterbewegung verkörpert, ist es zugleich die Geburtsurkunde der kommunistischen Weltbewegung. Das unterstreicht die Losung des „Manifestes“: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Als Leitfaden und Richtschnur revolutionären Handelns, propagierten u. a. August Bebel und Franz Mehring das „Kommunistische Manifest“. Lenin erweiterte diese Sichtweise, indem er das „Manifest“ als ein erstes Werk des reifen Marxismus charakterisierte, dessen drei Hauptbestandteile hier bereits ausgeprägt sind. (LW 25/413 und 21/36) Das „Manifest“ sah er als dokumentarisches Zeugnis der Verschmelzung des Marxismus mit der Arbeiterbewegung. Für ihn war klar: „Dieses kleine Büchlein wiegt ganze Bände auf.“ (LW 2/10) Die Lebenskraft des „Manifestes“ ließ es zum Grunddokument des Marxismus werden. Friedrich Engels betont aber, man könne das „Manifest“ nicht voraussetzungslos zur Hand nehmen; jeder Satz, jeder Gedanke müsse wissenschaftlich erfaßt und durchdacht werden, um zu einer Anleitung zum Handeln zu werden. Als Beispiel sei von mir der Satz genannt: „Jeder Klassenkampf ist ein politischer Kampf“. Und Marx war der Meinung, dass ein bestimmtes intellektuelles Niveau der Arbeiterklasse erreicht sein muß, bevor diese das „Manifest“ richtig verstehen kann. Selbst der Geschulteste wird bei wiederholtem Lesen zu einem vertieften Verständnis dieser Programmschrift und zu neuer Interpretation mancher Textstelle vordringen. Jede Generation liest das „Kommunistische Manifest“ auf ihre Weise, sucht Antworten auf ihre Fragen. So war das auch nach der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus. Da wurde mit Hilfe der sowjetischen Genossen von November 1945 bis Juni 1946 das „Manifest“ in 7 Ausgaben mit über 700.000 Exemplaren veröffentlicht.
Der Begriff „Geburtsurkunde des Wissenschaftlichen Kommunismus“ schließt verschiedene Gesichtspunkte ein – auf zwei möchte ich eingehen.
Erstens: Was der Marxismus der Arbeiterklasse mit dem „Manifest“ gab, das war nicht der Kommunismus schlechthin, sondern der wissenschaftliche Kommunismus. Den Klassencharakter des frühen utopischen Kommunismus hat Engels anschaulich beschrieben: „Derjenige Teil der Arbeiterklasse, der sich von der Unzulänglichkeit bloßer politischer Umwälzungen überzeugt hatte und die Notwendigkeit einer totalen Umgestaltung der Gesellschaft forderte, dieser Teil nannte sich damals (30iger Jahre des 19. Jh. H.M.) kommunistisch. Es war eine noch rohe, unbehauene, rein instinktive Art Kommunismus, aber er traf den Kardinalpunkt und war in der Arbeiterklasse mächtig genug, um den utopischen Kommunismus zu erzeugen, in Frankreich den von Cabet, in Deutschland den von Weitling.“ (MEW 21/357)
Was zeichnet den Wissenschaftlichen Kommunismus aus?
Mit der Entdeckung der Befreiungsmission der Arbeiterklasse und ihres Doppelcharakters (einmal sich selbst, zum anderen die ganze Gesellschaft zu befreien) war der Weg gefunden, den Widerspruch zwischen Sozialismus und Klassenkampf zu lösen, der den großen Utopisten soviel Kopfzerbrechen bereitete, weil das Proletariat für sie nur eine leidende Klasse war. Zum Zeitpunkt des „Manifestes“ hatten Marx und Engels schon klar herausgearbeitet, woran die Wissenschaftlichkeit des Kommunismus zu messen ist. Die materialistische Geschichtsauffassung war entdeckt und formuliert, der Klassenkampf als Triebkraft der Geschichte erkannt. Der Kommunismus galt von nun an als ökonomisch begründete gesetzmäßige Notwendigkeit, als das gesetzmäßige Resultat der Wirkungen einer gesellschaftlichen Kraft, die der Kapitalismus erzeugt hat – der Arbeiterklasse. Es geht um Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse, Produktionsweise, Eigentum, Klassen und Klassenkampf. Die Ausbeutung wurde nicht nur verworfen und kritisiert, sondern erklärt. Entsprechend heißt es bei Friedrich Engels: „Der Kommunismus ist keine Doktrin, sondern eine Bewegung; er geht nicht von Prinzipien, sondern von Tatsachen aus. Die Kommunisten haben nicht diese oder jene Philosophie, sondern die ganze bisherige Geschichte und speziell ihre gegenwärtigen tatsächlichen Resultate in den zivilisierten Ländern zur Voraussetzung. Der Kommunismus ist hervorgegangen aus der großen Industrie und ihren Folgen, aus der Herstellung des Weltmarkts, aus der damit gegebenen ungehemmten Konkurrenz, aus den immer gewaltsameren und allgemeineren Handelskrisen, die schon jetzt zu vollständigen Weltmarktskrisen geworden sind, aus der Erzeugung des Proletariats und der Konzentration des Kapitals, aus dem daraus folgenden Klassenkampfe zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Der Kommunismus, soweit er theoretisch ist, ist der theoretische Ausdruck der Stellung des Proletariats in diesem Kampfe und die theoretische Zusammenfassung der Bedingungen der Befreiung des Proletariats.“ (MEW 4/321f)
Das ist der Kern des Wissenschaftlichen Kommunismus: Die Lehre von den Bedingungen der Befreiung des Proletariats.(Engels) Nur so kann die kommunistische Theorie auch Anleitung zum Handeln sein. Das setzt voraus, dass die Verhältnisse und das theoretische Instrumentarium soweit entwickelt sind, dass sie die Einsicht in die Bedingungen der Emanzipation gestatten. Im „Manifest“ wird der Materialismus zur logischen Basis des Kommunismus, der Begründung der Befreiungsmission des Proletariats. Sein durchgehender Grundgedanke, der seinen Kern bildet und „einzig und ausschließlich Marx“ angehört, wie Engels in den Vorworten zur deutschen Ausgabe von 1883 und zur englischen Ausgabe von 1888 (MEW 4/578 ff) sagt, lautet: „… dass die ökonomische Produktion und die aus ihr mit Notwendigkeit folgende gesellschaftliche Gliederung einer jeden Geschichtsepoche die Grundlage bildet für die politische und intellektuelle Geschichte dieser Epoche; dass demgemäß (seit Auflösung des uralten Gemeinbesitzes an Grund und Boden) die ganze Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen gewesen ist, Kämpfen zwischen ausgebeuteten und ausbeutenden, beherrschten und herrschenden Klassen auf verschiedenen Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung; dass dieser Kampf aber jetzt eine Stufe erreicht hat, wo die ausgebeutete und unterdrückte Klasse (das Proletariat) sich nicht mehr von der sie ausbeutenden und unterdrückenden Klasse (der Bourgeoisie) befreien kann, ohne zugleich die ganze Gesellschaft für immer von Ausbeutung, Unterdrückung und Klassenkämpfen zu befreien… “ (MEW 4/577) Die Hervorhebung dieses Grundgedankens hält dazu an, konkrete gesellschaftliche Situationen dadurch transparent zu machen, dass man sie auf die gesellschaftlichen Grundwahrheiten zurückführt.
Zweitens: Wenn wir das „Kommunistische Manifest“ als die Geburtsurkunde der kommunistischen Weltbewegung und des Wissenschaftlichen Kommunismus bezeichnen, so auch deshalb, weil es auf alle wesentlichen Fragen des Kampfes der Arbeiterklasse eine Antwort enthält. Nehmen wir zum Beispiel die Frage des Friedens, dann lesen wir: „Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nation fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander.“ (MEW 4/479) Klarer geht es nicht. Aber das „Manifest“ enthält keine neuen Erkenntnisse gegenüber den Erkenntnissen, die bis dahin von Marx und Engels schon gewonnen wurden. Es war ein Parteiauftrag, der erfüllt werden musste. Der Begriff „Geburtsurkunde“ schließt also ein, dass viele Fragen erst im Ansatz formuliert werden (z.B. war die Theorie des Mehrwertes noch nicht entdeckt). Das „Manifest“ repräsentiert „eine notwendige hohe Entwicklungsstufe der revolutionären Arbeiterbewegung, eine neue zeitbestimmte Qualität sozialistischen Denkens.“ (Reclam, Nachwort 1985, S. 118) Allerdings behandelten Marx und Engels das „Manifest“ insofern als geschichtliches Dokument, als sie Veränderungen, die sich aus den Zeitverhältnissen ergaben – wir denken z. B. an 1872, in Vorworten nachwiesen, ohne den Text nachträglich zu korrigieren. Engels war grundsätzlich der Meinung, dass zu jeder Neuausgabe des „Kommunistischen Manifestes“ ein Vorwort gehört. Diese Vorworte dienten der Überprüfung, Präzisierung, Aktualisierung und Einführung in den Inhalt und die Geschichte des „Manifestes“.
2. Zur Programmdebatte im Bund der Gerechten/Bund der Kommunisten
Philipp ist in seiner Vorlesung auf die vier Phasen der im Bund der Gerechten/Bund der Kommunisten insgesamt über 10 Jahre lang geführten kollektiven Diskussion programmatischer Fragen eingegangen. An diesem theoretischen Ringen nahmen letztlich „Hunderte Bundesmitglieder sowie Mitglieder von Arbeiter- und Arbeiterbildungsvereinen in wenigstens acht Ländern Europas teil.“ (Hundt, 1988/182) Es war eine Einheit von organisatorischer und ideengeschichtlicher Entwicklung. Die damalige und heutige Hauptfrage der proletarischen Bewegung war/ist m. E. die ideologische und organisatorische Befreiung des Proletariats von der Vormundschaft der Bourgeoisie.
Gemeinsam, wenn auch zunächst unabhängig voneinander, rangen Karl Marx und Friedrich Engels, die einen ungeheuren Forschungs- und Lernprozess durchmachten, sowie eine fortgeschrittene kleine Schar organisierter Arbeiter um eine wissenschaftlich begründete Lehre für die Erfüllung ihrer Befreiungsmission. Wir haben nicht die Zeit, diese Diskussion und den taktischen Plan von Marx und Engels in allen Details nachzuzeichnen, sondern nur in einigen. Deshalb empfehle ich euch die kleine Broschüre des Marx/Engels Forschers Martin Hundt „Wie das ‚Manifest‘ entstand“, Dietz Verlag Berlin 1973 und 1985. Sie bildet die unmittelbare Grundlage für meinen Vortrag. Ebenso die Arbeiten von Waltraud Seidel-Höppner, Joachim Höppner, Henry Görschler und Wolfgang Meiser.
Im Prozeß der Entstehung des „Manifestes“ zeigt sich das bewusste Aneinander-Wachsen sich gegenseitig fordernder Partner. Für uns ist es wichtig zu erkennen, erstens, dass im „Kommunistischen Manifest“ als erstem wissenschaftlich begründeten Parteiprogramm Fragen beantwortet wurden, die sich in der Arbeiterbewegung seit ihrem Aufkommen angesammelt hatten und auf die es keine befriedigen Antworten gab. Zweitens, dass in der Vorperiode vor den Revolutionen von 1848 „das Bedürfnis nach politischer und theoretischer Klärung dem Wirken von Marx und Engels günstig (war), blanquistisch-französische und deutsche Arbeiterkommunisten in einer gemeinsamen Organisation von Kommunisten und auf gemeinsamen theoretisch-politischen Grundlagen zusammenzufassen.“ (Robert Steigerwald, MB 1/1988, S. 123) Aus diesem Prozeß ist das „Manifest“ hervorgegangen.
Bereits um 1836 bis 1838 beginnt im Bund der Gerechten das Ringen um ein spezifisches Arbeiterprogramm, eben deshalb hatten sich „die proletarisierten und durch die Wirtschaftskrise radikalisierten Handwerksgesellen“ (Engelberg) vom Bund der Geächteten abgespalten, der unter bürgerlich-demokratischer Führung stand. In ihrem Denken und Handeln spielte das Verlangen der Handwerksburschen, die Ausbeutung zu beschränken bzw. gar abzuschaffen, keine Rolle. Erstmalige organisatorische und politische Selbständigkeit der proletarischen Kräfte sollte erreicht werden. Damit trat die deutsche Arbeiterbewegung ins Leben. Friedrich Engels schrieb über diese historische Stunde der erwachenden Arbeiterklasse: „Es gereicht … (den Handwerksgesellen H.M.) zur höchsten Ehre, daß sie, die selbst noch nicht einmal vollgültige Proletarier wären, sondern nur ein im Übergang ins moderne Proletariat befindlicher Anhang des Kleinbürgertums, der noch nicht im direkten Gegensatz gegen die Bourgeoisie, d. h. des großen Kapitals, stand – daß diese Handwerker imstande waren, ihre künftige Entwicklung instinktiv zu antizipieren und, wenn auch noch nicht mit vollem Bewußtsein, sich als Partei des Proletariats zu konstituieren.“ (MEW 21/210) Die Behauptung bürgerlicher Historiker, antikapitalistisch-kommunistische Tendenzen seien bald wieder überwunden worden, ist falsch. Martin Hundt weist nach: „Überwunden wurden die verschiedenen kommunistischen Lehren nicht, weil sie kommunistisch, sondern weil sie zuwenig kommunistisch waren, zu ungenau die Interessen der Arbeiterklasse widerspiegelten.“ (1973/ 16) Die kommunistischen Theorien wurden keineswegs abgewehrt oder abgestoßen, vielmehr gab es ein schwieriges, ernsthaftes, unter Umständen auch unbewusstes Suchen zum Wissenschaftlichen Kommunismus. Dabei wurden alle Wandlungen des französischen und englischen Sozialismus und Kommunismus, wie ihrer deutschen Spielarten durchlaufen, schrieb Marx. (MEW 14/438)
Der Bund der Gerechten, Vorsitz Wilhelm Weitling, war die kleinste, aber internationalste und theoretisch aufgeschlossenste Abteilung der Arbeiterbewegung, die auch danach strebte, die frühere geheimbündlerische Organisationsstruktur zu überwinden. Kern der laufenden ideologischen Diskussion war die Frage, welche Art Gleichheit das Ziel des Bundes sei. Jetzt hieß dieses Ziel nämlich „Gemeinschaft“ oder „Gütergemeinschaft“ – es hieß Kommunismus, vorher war es im Bund der Geächteten die demokratische Republik. So begann das erste kollektive Ringen um ein Programm des Bundes der Gerechten, 1838 in Paris. Die Mitglieder verlangten nach einer Schrift über die Gütergemeinschaft. Wilhelm Weitling wurde beauftragt, eine Broschüre zu verfassen. Ende 1838 entstand dann seine Schrift „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte.“ Geistige Anleihen nahm er bei den französischen und englischen Utopisten auf. Aus ihrer Literatur schöpfte er das erste deutsche System des Arbeiterkommunismus und bringt als einer der ersten ihre Gesellschaftskritik dem Proletariat nahe.
Arbeiterkommunismus– was ist das?
„Arbeiterkommunismus“, schreibt Joachim Höppner, „ist die theoretische und politische Strömung des Frühproletariats, die sich in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts in Frankreich, England und Deutschland ausprägt und die Erfahrungen der ersten Kämpfe des westeuropäischen Proletariats verallgemeinert, um die Arbeiterbewegung als ideologisch und politisch-organisatorisch selbständige Kraft zu formieren.“ (Waltraud Seidel-Höppner, Joachim Höppner, Sozialismus vor Marx, Akademie Verlag Berlin 1987, S.108) Die französischen und deutschen Arbeiterkommunisten – so Etienne Cabet, Kopf des reformistischen Flügels, Jean-Jacques Pillot, Theodore Dezamy, Auguste Blanqui, Wilhelm Weitling – alle vier dem revolutionären Flügel zugehörig, interpretieren die radikalen Lehren der bürgerlichen Revolution (Babeuf, Robespierre) und die Gesellschaftskritik des kritisch-utopischen Sozialismus im proletarischen Sinn. Der englische Arbeiterkommunismus knüpfte theoretisch direkt an die Lehren des utopischen Sozialisten Robert Owen an, praktisch war sein Anknüpfungspunkt die Genossenschaftsbewegung. Mit dem Aufkommen des Chartismus wurde der englische Arbeiterkommunismus politisch. Die Chartistenführer Julian Harney und Ernest Jones standen im direkten Kontakt mit Marx und Engels.
Im Proletariat erblicken die Arbeiterkommunisten jene Klasse, die als unmittelbarer Produzent materieller Güter die Gesellschaft trägt, die auf Grund ihrer ausgebeuteten und unterdrückten Lage am meisten an der kommunistischen Umgestaltung interessiert ist. Der soziale Antagonismus kann nur durch die Beseitigung des Privateigentums, durch eine Revolution und die Schaffung kommunistischer Eigentumsverhältnisse überwunden werden. Der Arbeiterkommunismus konnte aber noch nicht zu den historischen Entwicklungsgesetzen vordringen. „Die unreifen Verhältnisse“, so Höppner, „verurteilten die Arbeiterkommunisten zur Utopie, insbesondere ihre Suche nach einem gangbaren Weg zur Ablösung der kapitalistischen durch die kommunistische Gesellschaft.“ (Höppner, a.a.O, S. 110f) Theoretisch kündigt der Arbeiterkommunismus das reifende Bewußtsein des Proletariats über seinen Interessengegensatz zur Bourgeoisie an. Aber die Arbeiterkommunisten bekommen weder die historische Klassenspezifik noch die innere Dynamik der Revolutionen in den Griff. Vergangene Revolutionen werden so zu „verpassten Gelegenheiten“. Die Genossen scheitern an der Dialektik von objektiver Gesetzmäßigkeit und subjektivem Handeln.
Doch zurück zum Arbeiterkommunisten Wilhelm Weitling.
Die neue Gesellschaft, davon war er überzeugt, müsse durch eine kommunistische Revolution herbeigeführt werden. Darin, die Revolution als notwendig zu erkennen, überragt er alle anderen Utopisten.„Der Umsturz des alten Bestehenden ist Revolution; folglich ist der Fortschritt nur durch Revolutionen denkbar. Es lebe die Revolution!“ Sie führe zunächst zu einer Diktatur und beseitige das Hauptübel, das Privateigentum. In dieser neuen Ordnung seien Kriege nicht mehr nötig: der Feind stehe nicht jenseits der Grenzen, sondern im eigenen Land. Die Grenzen müssten fallen. Eine Weltsprache sei nötig. Die erforderlichen Kräfte dieser Revolution sah Weitling teilweise schon in der Arbeiterklasse — die er also als erster nicht nur als leidende Klasse sah, sondern auch als kämpfende — sowie in anderen Schichten, die vom Kapital deklassiert worden waren. An die Arbeiter gewandt, schrieb er:“Glaubet nicht dass ihr durch Vermittlung mit euren Feinden, etwas ausrichten werdet, eure Hoffnung liegt nur in eurem Schwerte. Jede Vermittlung zwischen euch und ihnen ist zu eurem Nachteile berechnet. Ihr habt schon oft davon die Erfahrung gemacht, es ist hohe Zeit, Nutzen daraus zu ziehen. Es ist eine traurige Erfahrung, dass sich die Wahrheit einen Weg durch Blut bahnen muss.“ Bei Weitling wird Jesus zum ersten Kommunisten, was Marx zu sarkastischen Bemerkungen veranlasste. Den Glauben will er in den Dienst der kommunistischen Propaganda stellen. So geschieht es im „Evangelium eines armen Sünders“. Später baute er den Gedanken vom revolutionären Kampf der Volksmassen als dem wichtigsten Mittel zur Erreichung der Kommunistischen Gesellschaft weiter aus, sah aber in der Revolution letztlich nur einen elementaren und zerstörenden Ausbruch der verzweifelten Volksmassen. Die wissenschaftliche Einsicht in die Entstehungsursachen der Übel des Kapitalismus und den Doppelcharakter der Befreiungsmission der Arbeiterklasse blieb ihm versagt. Den Kommunismus hielt Weitling jederzeit für möglich. Weitlings Kommunismus war eine „Reproduktion der französischen Ideen innerhalb der durch die kleinen Handwerksverhältnisse beschränkten Anschauungsweise“, heißt es in der „Deutschen Ideologie“. (MEW 3/449)
Der Magdeburger Schneidergeselle, dessen Hauptwerk, die „Garantien der Harmonie und Freiheit“ von Marx als „maßloses und brillantes literarisches Debüt der deutschen Arbeiter“ (MEW 1/405) gewürdigt wurde, den Heine und Feuerbach hoch schätzten, den Rosa Luxemburg als „genial“ bezeichnete, hat die Arbeiterbewegung im Prozeß ihrer Entwicklung zur selbständigen politischen Kraft einen bedeutsamen Schritt vorwärts geführt. Sein Zukunftssystem, obwohl insgesamt utopistisch, weil es seiner Zeit abverlangte, was die geschichtlichen Bedingungen noch nicht hergaben, hatte einen fest verankerten proletarischen Kern. Außerdem: „Zur Begründung des Wissenschaftlichen Kommunismus gehörte mehr, als ein Proletarier unter den Bedingungen der kapitalistischen Arbeitsfron und des Bildungsprivilegs zu leisten vermochte“, schreibt Waltraud Seidel-Höppner in ihrem Buch: „Wilhelm Weitling, der erste deutsche Theoretiker und Agitator des Kommunismus“, S.198. Weitling sperrte sich jedoch gegen Marx. In demselben Verhältnis, in dem Weitling seine Utopie verteidigt, entfremdet er sich damit der Arbeiterbewegung.
Das von Weitling verfasste Programm widersprach dem Bemühen nach Kürze. Diesen Anspruch erfüllte der Katechismus (Frage-Antwort) bzw. das Glaubensbekenntnis. Von solcher Art war ein Fragment KarlSchappers, Gründungsmitglied des Bundes. Es nennt sich „Gütergemeinschaft“ und war vermutlich ein Konkurrenzprogramm zu dem von Weitling. Schappers Fragespiegel wurde faktisch zum Ausgangspunkt weiterer Überlegungen. Auch er malte die künftige kommunistische Gesellschaft im einzelnen aus, beinhaltete aber zugleich programmatische Gedanken, die die Arbeiterbewegung noch lange begleiten sollten. So das Problem der Verteilung nach der Leistung als eines noch nicht konsequent kommunistischen Prinzips. Kernstück des kollektiv erarbeiteten Denkens im Bund der Gerechten von 1838 war für Weitling und Schapper: die „feste und innige Überzeugung…, dass nur dann die Menschheit wirklich frei und glücklich wird, wenn alle Menschen, nach Völkern, in einem Staatsverbande leben, wo alle völlig gleiche Rechte an den Gütern der Erde und deren Genuss besitzen und wo alle gleichmäßig auf irgendeine Weise an deren Hervorbringung oder Erhaltung zum gemeinschaftlichen Wohle aller arbeiten, wenn also Gütergemeinschaft besteht.“ (Hundt, 1973/19)
Wie ging es nun weiter mit der Diskussion im Bund der Gerechten?
Durch die Niederschlagung des Aufstandes der in Frankreich als revolutionäre Geheimorganisation 1837 entstandenen blanquistischen Gesellschaft der Jahreszeiten am 12. Mai 1839 in Paris, kam es zu einer tiefen Krise der theoretischen Entwicklung im Bund der Gerechten. Unter dem Eindruck einer Kabinettskrise der konstitutionellen Monarchie war von den Blanquisten beabsichtigt, durch kühnen Handstreich eine revolutionäre Diktatur zu errichten. Im Ergebnis der schnellen Niederlage dieses Putsches und der Gleichgültigkeit des unvorbereiteten Volkes wurde der Gedanke der Revolution für einige Jahre verworfen. Zwischen Putsch und Revolution konnte man noch nicht unterscheiden. Der Bund beendete seine Verbindung zu den Blanquisten. Es begann die Zeit der engsten Anlehnung an Etienne Cabet, der den Kommunismus durch friedliche Propaganda, zu der auch die Einrichtung „kommunistischer“ Musterkolonien in Amerika (anknüpfend an den kritisch-utopischen Sozialisten Robert Owen) dienen sollte, einführen wollte. Er hat den utopischen Roman „Reise nach Ikarien“ verfasst (Ikarien ist das Ergebnis einer Revolution, die vom Volke und im Interesse des Volkes durchgeführt wurde, an der Spitze des bewaffneten Aufstandes stand der Volksheld Ikar, der zum Diktator ausgerufen, eine Umgestaltung zum Kommunismus einleitet).
Hermann Ewerbeck
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Katechismus des Pariser Bundesmitglieds Hermann Ewerbeck. Den Gegensatz von Kapitalismus und Kommunismus fasste er in Begriffe wie Disharmonie und Harmonie, egoistischer Mensch und Gesellschaftsmensch, Vereinzelung und Assoziation. Er sprach vom Kommunismus als „Sozialsystem“. Den Kapitalismus bestimmte er als nachfeudale Stufe der menschlichen Entwicklung, sah aber nicht seine zeitweilige Notwendigkeit. Ewerbeck hatte einiges von Marx gelesen – Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie; Zur Judenfrage -, aber sein Katechismus, wenige Monate vor den Feuerbach-Thesen geschrieben, spiegelte Marx sehr eigenartig wider. Die Revolution, die Marx in das gesellschaftliche Denken einbrachte, fehlte hier völlig. Ewerbeck propagierte Cabet und übersetzte ihn. Das war die reformistische Linie in Paris.
In London, wo die größte internationale Zweigorganisation des Bundes der Gerechten ihren Sitz hatte, entwickelte es sich anders. Die sogenannte „Londoner Diskussion“ von 1845 nimmt in der Vorgeschichte des „Manifestes“ einen bedeutenden Platz ein. Hier verabschiedete sich der Bund von den utopischen Lehren, die keine befriedigenden Antworten gaben und in der Praxis zu Misserfolgen führten. Engels sprach von einer „stillen Umwälzung“, die sich im Bund und unter den Londoner Leitern vollzog, weil die Erfahrungen im Zentrum des kapitalistischen Weltmarktes andere waren, als die in der zurückgebliebenen Schweiz bei Weitling. Der Weg zur Aufnahme des Marxismus wurde frei gemacht. „Die Unzulänglichkeit der bisherigen Auffassung des Kommunismus, sowohl des französischen einfachen Gleichheitskommunismus wie des Weitlingschen, wurde ihnen mehr und mehr klar.“ (MEW 21/214)
Der Abschied des Bundes der Gerechten von der Utopie war also abgemacht. Wie sah nun dieser Abschied aus?
Ende 1844 hatte man beschlossen, die Differenzen, die es im Bund zwischen der Londoner Leitung und Weitling aufgrund der praktischen Erfahrungen gab, durch eine allgemeine Diskussion zu entscheiden. Dazu arbeitete Weitling 18 Fragen aus, die die Londoner Diskussion strukturierten. Ich gehe hier nur auf Frage 7 und Frage 10 ein. Das ganze Protokoll der Diskussion ist nachzulesen in der Gemeinschaftsarbeit DDR/UdSSR: Der Bund der Kommunisten, Dokumente und Materialien, Berlin 1970, Band 1, 1836-1849, S. 214ff (Dokument 64).
Frage 7:Welche Leute haben das meiste Interesse für die Einführung des Kommunismus und welche von diesen die meisten Mittel zur Beschleunigung der Einführung desselben.Da Weitling die Frage nicht beantworten konnte, warum es bisher noch keinen Kommunismus gab, wenn er doch immer möglich sei, führte sein Weg auch nicht zum Wissenschaftlichen Kommunismus. Er entwickelte abenteuerliche Konstruktionen von einer Koalition aus persönlichen Gründen wohlmeinender Fürsten, des Lumpenproletariats, der stets begeisterungsfähigen Jugend und der gefühlsbetonten Frauen. Ihm wurde entgegnet: „Nein! die Arbeiter werden es tun.“ Hier kam nun das erste Eingreifen von Marx und Engels in die Diskussion, sie trafen sich im Juli und August 1845 mit den Leitern des Bundes der Gerechten in London. Engels soll einige Exemplare seines Buches „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ befreundeten Bundesmitgliedern überreicht haben. Und so hieß es dann: „Lassen wir uns ein Beispiel an den Gelehrten nehmen und richten wir unser Augenmerk auf die Fabrikstädte.“
Ein letztes großes Aufeinanderprallen der Meinungen brachte die Diskussion der Frage 10.
Frage 10: Welches ist der von jedem System unabhängige Kern des vollkommenen Kommunismus? Prüfung der verschiedenen modernen und alten Systeme an dem Kern des Kommunismus.
Weitling meinte: „Das, was ich tue, muß für alle gut sein.“ Bis zur klassischen Formulierung des „Manifestes“ war es noch ein weiter Weg. Ihr erinnert euch: „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eine jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“ (MEW 4/482) Schapper fasste die Antwort auf Frage 10 so zusammen: „Wenn wir auf die menschliche Natur zurückgehen, so wird der Mensch nur in der Arbeit sein Glück finden. Arbeit und Genuss werden abwechseln, und eines jeden Glück wird vollkommen werden. Kein Zwang muss sein, denn der Mensch ist nicht faul; wenn der Mensch auf einer richtigen Stufe der Bildung steht, so wird er freudig arbeiten.“ Kommunismus lässt sich nicht auf die Befriedigung materieller Güter beschränken. „Nein, das Volk soll Mensch werden, es soll besonders geistig glücklich werden.“
Im Ergebnis der Londoner Diskussion wurde beschlossen, Feuerbach zu studieren: „Religion und Zukunft“ – und wissenschaftliche Fragen zu beraten. Dieses Streben zum Studium der Philosophie war ein Ergebnis des Zusammentreffens mit Marx und Engels in London. Das Ringen um ein wissenschaftliches Programm des Bundes der Gerechten ging also weiter. In bestimmten Fragen stand man dem Marxismus schon recht nahe: Nutzlosigkeit der Utopie, Internationalismus des Kommunismus, Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen, Notwendigkeit gewaltsamer Revolution und Beseitigung des Privateigentums, in Deutschland steht die bürgerliche Revolution auf der Tagesordnung. Die Frage aber, wie die kapitalistische Produktionsweise in ihrer Entstehung, ihrer Entwicklung und ihrem Untergang zu erklären ist, konnte mit Feuerbach nicht beantwortet werden. Die weitgehende Unklarheit über die Ökonomie des Kapitalismus hemmte die theoretische Entwicklung des Bundes. Martin Hundt schreibt: „Bis zur theoretischen Besitzergreifung der modernen kapitalistischen Industrie durch die revolutionäre Arbeiterbewegung musste ein weiter und schwieriger Weg des Um- und Neudenkens zurückgelegt werden.“ (Hundt 1973/37) Sehr schwer fiel es den frühproletarischen Handwerkern einzusehen, dass die kapitalistische Ausbeutung, die kapitalistische Industrie, gegenüber dem Feudalismus einen Fortschritt darstellte.Geniale Gedanken, in denen z. B. Weitling sich mit seiner Sicht auf die Rolle der Maschinen der marxistischen Sicht näherte, waren nicht zu übersehen. Illusionen wurden aufgegeben, Träume verworfen – auch hinsichtlich der abstrakten Gleichheitsforderung. Das war unbedingt im proletarischen Interesse. Nicht nur, dass Wissenschaft Illusionslosigkeit voraussetzt, nein – es gilt vor allem, dass „der Eigentumslosigkeit der Arbeiter nur die Illusionslosigkeit ihrer Köpfe entsprechen“ kann. (MEW 21/494) Sich dem historischen Materialismus zu nähern, bedeutete auch, sich einzugestehen, dass der Kommunismus gerade nichtzu jeder beliebigen Zeit möglich ist – weder durch einen Putsch noch durch große Sprünge. Die Verwirklichung des Kommunismus ist an ganz bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen gebunden. Marx und Engels hatten dies bereits herausgearbeitet: große Steigerung der Produktivkraft, hoher Grad ihrer Entwicklung. (MEW 3/34)
Der Bund war also auf dem Weg zu erkennen, dass der Kommunismus als Theorie nur der weltanschauliche Ausdruck der Interessen der Arbeiterklasse sein kann und als Praxis nur durch die Verwirklichung der historischen Mission entsteht.
Konnte es 1844 noch keine Verschmelzung von Marxismus und Arbeiterbewegung geben, so war das 1845/1846 schon anders. Wir können aus der Entstehungsgeschichte des „Manifestes“ die Schlussfolgerung ziehen, dass sich die „Herausbildung des Marxismus…in genauester Kenntnis der theoretischen Bedürfnisse der Arbeiterbewegung vollzog.“(Hundt 1973/55) Keine der aufeinander zustrebenden Richtungen ließ auch nur einen Tag ungenutzt: die einen hatten sich von der Utopie ab- und der Wissenschaft zugewandt – hier dem Studium Feuerbachs, von Marx und Engels empfohlen. Die anderen wollten ihre wissenschaftlichen Resultate nicht nur aufschreiben, sondern die Arbeiter für ihre Überzeugung gewinnen – dafür hatten sie einen taktischen Plan. „Dieses rasche Beschreiten der aufeinander zuführenden Wege hatte seine Ursache in erster Linie in der historischen Notwendigkeit und daher im objektiven und bald auch bewussten Bedürfnis nach Vereinigung, aber auch in der bereits vorhandenen Bekanntschaft miteinander.“ (Hundt 1973/50) Das „Manifest“ begründet, dass der Bildungsprozess der Kommunistischen Partei, zu dem die Vereinigung von Wissenschaft und Arbeiterbewegung gehört, ein gesetzmäßiger Prozeß ist, der aus dem Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital resultiert.
Feuerbach, der eifrig studiert wurde, fasste die prakltische-menschliche Tätigkeit nur abstrakt theoretisch auf. Der damit verbundene Kultus des abstrakten Menschen, die Schwäche des Feuerbachschen Materialismus, wurde vom „wahren Sozialismus“ (Karl Grün) ausgenutzt. Friedrich Engels begründet die Notwendigkeit der Bekämpfung dieser Art theoretischen Unsinns in seiner Arbeit „Der Status quo in Deutschland“: „Der wahre Sozialismus ist durch und durch reaktionär. Die Bourgeoisie hat diese reaktionäre Tendenz des wahren Sozialismus längst gemerkt. Sie hat aber diese Richtung ohne weiteres für die literarische Repräsentantin auch des deutschen Kommunismus genommen und den Kommunisten öffentlich und privatim vorgeworfen, daß sie mit ihrer Polemik gegen Repräsentativverfassung, Geschworenengerichte, Pressfreiheit, mit ihrem Geschrei gegen die Bourgeoisie nur den Regierungen, der Bürokratie, dem Adel in die Hände arbeiteten. Es ist hohe Zeit, daß die deutschen Kommunisten endlich diese ihnen zugemutete Verantwortlichkeit für die reaktionären Taten und Gelüste der wahren Sozialisten ablehnen. Es ist hohe Zeit, daß die deutschen Kommunisten, die das deutsche Proletariat mit seinen sehr deutlichen, sehr handgreiflichen Bedürfnissen repräsentieren, sich aufs allerentschiedenste trennen von jener literarischen Clique…, die selbst nicht weiß, wen sie repräsentiert, und deshalb wider Willen den deutschen Regierungen in die Arme taumelt…. In der Tat, wir Kommunisten haben nichts gemein mit den theoretischen Hirngespinsten und Gewissensskrupeln dieser spitzfindigen Gesellschaft. Unsre Angriffe auf die Bourgeoisie unterscheiden sich ebensosehr von denen der wahren Sozialisten, wie sie sich von denen des reaktionären Adels, z.B. der französischen Legitimisten oder des Jungen Englands, unterscheiden.“ (MEW 4/ 40)
Der „Wahre Sozialismus“ kannte keine Klasseninteressen und verwandelte alle kommunistischen Anschauungen in „liebesschwülen Gemütsstau“ (MEW 4/487) allgemeiner Menschlichkeit, gab sich aber als kommunistisch aus. Die Auseinandersetzung mit ihm erfolgt im dritten Abschnitt des „Manifestes“, der sich insgesamt mit der sozialistischen und kommunistischen Literatur der damaligen Zeit befasst. Er enthält die Grundsätze der Ideologiekritik des Marxismus und ist deshalb als einziger Teil des „Manifestes“ von Marx und Engels auch separat abgedruckt worden.
Die Naziideologie wandelte auf den Spuren des „wahren oder deutschen Sozialismus“. Hans Günther hat das in „Der Herren eigner Geist“ analysiert. (Reprint Akademie-Verlag Berlin 1981, S. 121ff) Walter Ulbricht schrieb „Ein Lehrbuch für das deutsche Volk über das Wesen des Faschismus“ – es hieß: Die Legende vom „Deutschen Sozialismus“, Verlag Neuer Weg Berlin 1946.
Marx und Engels, die sahen, dass die Gefahr des „wahren Sozialismus“ mit seinem rechten Opportunismus bekämpft werden musste, hatten zum Erfahrungsaustausch und zur Verbreitung des Wissenschaftlichen Kommunismus Anfang 1846 das Kommunistische Korrespondenzkomiteemit Sitz in Brüssel gegründet. Dieses Komitee arbeitete mit Briefen und Zirkularen, es sollte einzelne Theoretiker, kleine sozialistische Gruppen und Zeitungsredaktionen in regelmäßigen Kontakt bringen sowie gemeinsame Stellungnahmen verfassen, später auch organisatorische Bindungen herstellen. Wo die Bemühungen Erfolg hatten, da bestand Aussicht auf Zusammenarbeit. Das Proletariat verstand seine Stellung immer umfassender, die sein Selbstbewusstwerden begleitenden Theorien hielten – außer dem Marxismus – den Anforderungen der Praxis des Klassenkampfes aber nicht stand. Die damit verbundene Verwirrung unter den sozialistischen Gruppen in mehreren Ländern war ein fruchtbarer Boden für den Eklektizismus „wahren Sozialismus“. Aus der Tätigkeit des KK ist der Zirkularbrief gegen den „Wahrsozialisten“ Kriege überliefert. (MEW 14/3ff) Im Juni 1846 schlugen Marx und Engels vor, einen allgemeinen kommunistischen Kongreß vorzubereiten. Eine Idee, die dann 1847 in Form des I. und II: Kongresses des Bundes der Kommunisten verwirklicht wurde. Am 30. März 1846 kam es zu einer Sitzung des Brüsseler Korrespondenzkomitees an der Weitling und Marx teilnahmen. Marx kritisierte scharf die „links“sektiererischen Ansichten Weitlings. Und indem er mit der Faust auf den Tisch schlägt beendet er seine Rede mit den Worten: „Niemals noch hat die Unwissenheit jemandem genützt!“(Bdk 1/305; Hundt 1973/66)
Proudhon
Untrennbarer Bestandteil der Programmentwicklung war die Auseinandersetzung mit Proudhon – Karl Marx: „Das Elend der Philosophie“. Proudhon war ein kleinbürgerlicher Sozialist, der mit seinen Genossenschafts- und Tauschbankideen zwar dem Denken der Arbeiter sehr nah kam, aber in Wirklichkeit im Rahmen des Kapitalismus blieb. Was für verheerende ideologische Folgen das Fehlen eines Programms hatte, wurde Engels im Herbst 1846 in Paris klar, wo er an einer Sitzung des Bundes der Gerechten teilnahm. Hier in Paris hatte sich der Proudhonismus ausgebreitet. Als Engels fragte, ob man hier als beliebige Menschen oder als Kommunisten zusammen säße, erregte das Entsetzen. Es wurde schließlich die Grundfrage aufgeworfen: Was ist Kommunismus? Nach zehn Jahren wußte der Bund noch keine befriedigende Antwort. Friedrich Engels definierte die Absichten der Kommunisten dahin: „1. die Interessen der Proletarier im Gegensatz zu denen der Bourgeoisie durchzusetzen; 2. dies durch die Aufhebung des Privateigentums und Ersetzung desselben durch die Gütergemeinschaft zu tun; 3. kein andres Mittel zur Durchführung dieser Absichten anzuerkennen als die gewaltsame, demokratische Revolution.“ (MEW 27/61)
Für Marx war klar, dass die Mitglieder der Bundesleitung allein zu keinem wissenschaftlichen Programm kommen konnten. Mit seinem Anti-Proudhon, der als Angriff gegen das Unverständnis Proudhons für die Zusammenhänge des historischen Materialismus und als bedeutende Vorarbeit für das „Kommunistische Manifest“ zu verstehen ist, ergab sich die Möglichkeit, den Leitern des Bundes indirekt die vorhandenen theoretischen Unzulänglichkeiten deutlich zu machen. Das „Elend der Philosophie“ war die entscheidende Vorarbeit für den I. Kongreß des Bundes der Kommunisten. Der Marxismus trat erstmals in seiner bis dahin reifsten Gestalt an die Öffentlichkeit. Die Einheit und Notwendigkeit von ökonomischem und politischen Klassenkampf wurde bewiesen, die historische Mission des Proletariats und das Wesen des Kommunismus klar formuliert, Proudhons System als das bestehende kapitalistische überführt. Ein Vergleich des „Elends der Philosophie“ mit dem „Kommunistischen Manifest“ zeigt, dass ohne den Entwicklungsstand des Marxismus im Anti-Proudhon der entscheidende Kern eines wissenschaftlichen Programms undenkbar gewesen wäre.
Ende der Utopie
Die theoretische Krise des Bundes der Gerechten von 1846 hatte zum Ergebnis, dass jetzt völlig klar war, die Flucht von einer utopischen Schule zu einer anderen war kein Ausweg, dem Verständnis des eigenen Kampfes waren alle diese Theorien nicht förderlich. Die Programmlosigkeit war die Wurzel allen Übels imBunde. So lautete die Frage: Was tun? Die Fronten im Klassenkampf, die Auseindersetzung mit ihrer Verwischung im „wahren Sozialismus“ bedurften einer auf wissenschaftlichem Niveau stehenden offenen polemischen ideologischen und politischen Klärung. Die unmittelbare Teilnahme von Marx und Engels an der Diskussion seit 1843 wirkte sich sehr positiv aus. Durch das Korrespondenzkomitee erreichte sie auch eine organisatorische Form.
Es zeigte sich, „dass die Arbeiterbewegung zwar zum Kommunismus drängte, allein auf sich gestellt aber nicht in der Lage war, die gesamte Problematik zu bewältigen.“ (Hundt, Bund der Kommunisten, 1988/184). Die aus dem Arbeiterkommunismus gewonnen Erkenntnisse blieben lebendig: Notwendigkeit einer Revolution, Abwendung von putschistischen Ideen, Hinwendung zur langfristigen und möglichst legalen propagandistischen und organisatorischen Tätigkeit unter den Arbeitern, Ablehnung kommunistischer Kolonien als Hauptmethode der Einführung des Kommunismus und derbei Cabet damit verbundenen Auswanderungspläne.
Mit ihrem wachsenden Einfluss auf den Bund der Gerechten gewannen Marx und Engels zugleich konkretere Anhaltspunkte für die Ausarbeitung ihrer Theorie. In Deutschland reifte 1847 eine revolutionäre Situation heran. Es nahte die bürgerliche Revolution. Marx und Engels traten Anfang 1847 in den Bund der Gerechten ein. Zuvor, im Herbst 1846 übernahm die Londoner Organisation die Leitung des Bundes der Gerechten. Beides war eine entscheidende Wende in der Bundes- und Programmentwicklung. In ihrer ersten Ansprache an den Bund im November 1846 ging die neue Leitung davon aus, dass ein einfaches „Kommunistisches Glaubensbekenntnis“ nötig sei, um die Uneinigkeit im Bund hinsichtlich der Frage, wie die kapitalistische Gesellschaft zu bekämpfen sei, beseitigt wird. Dazu wurden konkrete Fragen und Anweisungen zur Programmdiskussion herausgegeben. In der zweiten Ansprache an den Bund vom Februar 1847 erfolgte die Aufnahme der vollständigen Revision der bisherigen Statuten als Tagesordnungspunkt des I. Bundeskongresses. Drei Fragen wurden für die weitere Programmdiskussion gestellt: 1. Was ist Kommunismus , und was wollen die Kommunisten? 2. Was ist Sozialismus, und was wollen die Sozialisten? 3. Auf welche Weise kann die Gemeinschaft am schnellsten und leichtesten eingeführt werden? Zu beantworten war bei (3) auch die Frage nach der Ausgestaltung der als notwendig erachteten Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Offen kritisiert wurden die Fourieristen, die die kommunistische Gesellschaft bis in jedes Detail auszumalen versuchten.
Auf dem I. Bundeskongress im Juni 1847 wurde der Bund der Gerechten in Bund der Kommunisten umbenannt. Das war zwingend erforderlich:Erstens bedurfte ein revolutionäres Parteiprogramm einer revolutionären Partei, deren Lebensäußerung es ist. Zweitens machte das Heranreifen der bürgerlichen Revolution die Schaffung einer Partei der Arbeiterklasse zur dringenden Aufgabe. Zur Umbenennung des Bundes der Gerechten gehört zugleich die Änderung der Bundeslosung in „Proletarier aller Länder, vereinigt euch“ statt „Alle Menschen sind Brüder“. Der Kongreß nahm einen Statutenentwurf an, in dem das alles verankert war. Zur Umbenennung wurde argumentiert: Um für Gerechtigkeit einzutreten, muß man nichtunbedingt Kommunist sein. Die Bundesmitglieder sind Kommunisten, weil sie die bestehende Gesellschaftsordnung und das Privateigentum angreifen und weil sie für die Gütergemeinschaft sind. Die Ideologie des Bundes war internationalistisch. Das durchgängige Organisationsprinzip war der demokratische Zentralismus– also die dialektische Einheit von Zentralismus und Demokratie. Jeglicher „Autoritätsaberglaube“, „sektiererisch-verschwörerische Züge“ wurden abgelehnt(der Organisationsaufbau muss dem wissenschaftlichen Herangehen entsprechen).Das hatten Marx und Engels bereits bei ihrem Eintritt in den Bund der Gerechten zur Bedingung gemacht.
Eine feste organisatorische Grundlage für die Erarbeitung des Parteiprogramms war nun vorhanden. Als erster Programmentwurf wurde der hauptsächlich von Engels verfasste „Entwurf des kommunistischen Glaubensbekenntnisses“ von der Londoner Zentralbehörde versandt. Das war ein Entwurf, in dem der Marxismus, vertreten durch Engels, noch unmittelbar mit Überresten utopischen Denkens ringt. Er war auch noch in der gewohnten Form des Katechismus abgefasst – 22 Fragen und Antworten (veröffentlicht in: BdK 1, 470-475).Bestimmend war aber die Absicht der Delegierten, „durch fortwährende Berücksichtigung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die allein den Kommunismus erzeugt haben, stets einen sicheren Boden unter unsern Füßen zu behalten.“(Bdk 1, 485) Dennoch gab es im Entwurf deutliche Kompromissformulierungen. So wurde auf die Entwicklung der Produktivkräfte hingewiesen, um dann auf die „ewigen Wahrheiten“ abzustellen, gewissermaßen die menschliche Natur, Sätze, die keines Beweises bedürften und für jeden Menschen gelten. In den Fragen 7 bis 13 wurde eine historisch-materialistische Begründung des Kommunismus gegeben – mit Sätzen aus dem „Elend der Philosophie“ und aus „Lohnarbeit und Kapital“, Revolutionen werden als Ergebnis objektiver gesellschaftlicher Prozesse aufgefasst, Verschwörungen wurden als schädlich eingestuft. Behandelt wird die Frage der Notwendigkeit einer Übergangsperiode.Zur Illustration die Frage 13 und die Antwort: “ Ihr glaubt also nicht, dass die Gütergemeinschaft zu jeder Zeit möglich war? Antwort: Nein. Der Kommunismus ist entstanden, seitdem es die Maschinen und anderen Erfindungen möglich machten, allen Mitgliedern der Gesellschaft eine allseitige Ausbildung, eine glückliche Existenz in Aussicht zu stellen. Der Kommunismus ist die Lehre von einer Befreiung, die nicht den Sklaven, den Leibeignen oder den Handwerkern möglich war, sondern erst den Proletariern, und daher gehört er notwendig dem neunzehnten Jahrhundert an und war zu keiner früheren Zeit möglich.“ (BdK 1, S. 473)
Alle Mitglieder des Bundes waren aufgefordert, sich an der Programmdiskussion zu beteiligen.
II. Bundeskongress
Der Programmparteitag, wie wir heute sagen würden, war der II. Bundeskongress im Dezember 1847. Martin Hundt schätzt ein: „Es kam zwischen dem I. und dem II. Kongreß zur ersten umfassenden Programmdiskussion in der Geschichte der Arbeiterbewegung. Sie war ein unerlässliches, ein konstitutives Element im Entstehungsprozess der ersten internationalen Partei des revolutionären Proletariats.„ (Hundt 1973 / 97) Organisatorisches Zentrum der Programmdiskussion war London, das geistige Zentrum – Brüssel – Marx und Engels.
Aus der Zeit zwischen dem I. und dem II. Bundeskongress sind zwei Ereignisse besonders bemerkenswert.
Erstensgeht es um den Artikel „Proletarier“ von Karl Schapper, der in der „Kommunistischen Zeitschrift“ veröffentlicht wurde. Schapper ließ hier alle überwundenen Etappen der theoretischen Entwicklung des Bundes der Gerechten Revue passieren. Kommunisten sind keine Systemkrämer, keine Anhänger von „Liebesduselei“, keine Pazifisten, die jetzt schon Frieden predigen, während sich ihre Gegner an allen Orten zum Kampf rüsten, sie sind keine Verschwörer. Dann: „Wir sind keine Kommunisten, welche glauben, dass gleich nach siegreich bestandenem Kampfe die Gütergemeinschaft wie durch einen Zauber eingeführt werden kann. Wir wissen, dass die Menschheit keine Sprünge macht, sondern nur Schritt für Schritt vorwärts geht. Wir können nicht über Nacht aus einer unharmonischen in eine harmonische Gesellschaft eingehen, es bedarf hierzu einer nach Umständen längeren oder kürzeren Übergangsperiode. Das Privateigentum kann nur nach und nach in gesellschaftliches Eigentum umgewandelt werden.“ Die Haupterkenntnis des Bundes nach zehn Jahren Debatte war: Nicht utopische Systeme, sondern nur eine wissenschaftliche Auffassung vom Kommunismus kann den Weg nach vorn weisen.
Zweitenshatte es in Paris Moses Heß unternommen, mit einer Neufassung das Glaubensbekenntnis opportunistisch zu verstümmeln. Engels nahm das Papier Punkt für Punkt auseinander. Ergebnis: Er wurde mit der Neufassung einer Stellungnahme zum Glaubensbekenntnis beauftragt. So entstanden die „Grundsätze des Kommunismus“ (MEW 4/361ff). Der Aufbau des Glaubensbekenntnisses als Katechismus blieb erhalten. Die Grundsätze waren durchgängig auf der Höhe der materialistischen Geschichtsauffassung und gingen in einigen Punkten über das „Manifest“ hinaus. Engels entwickelte z. B. die Idee der gesamtgesellschaftlichen Planung. Er bemerkte schließlich, dass die Katechismusform nicht zu fassen vermochte, was das Programm nun aussagte. An Marx schrieb er: „Ich glaube, wir tun am besten, wir lassen die Katechismusform weg und titulieren das Ding: Kommunistisches Manifest: Da darin mehr oder weniger Geschichte erzählt werden muß, passt die bisherige Form gar nicht.“ (MEW 27/107) Die Grundsätze hatten ein sehr große Bedeutung für die Endfassung des „Manifestes“, waren das bedeutendste Ergebnis der Programmdiskussion und seine direkte Vorstufe. Engels brachte auch ein ökonomisches und soziales Programm mit, das die 17 Forderungen der Kommunisten für Deutschland vorwegnahm.
Vom 29. November bis zum 8. Dezember 1847 tagte in London der II. Kongreß des Bundes der Kommunisten, Präsident des Kongresses war wieder Karl Schapper. Beschlossen wurde ein stark verbessertes Statut und die Abfassung des „Kommunistischen Manifestes“. Aller Widerspruch und Zweifel wurden nach 10 Tagen ausführlicher Debatte endgültig beseitigt. Im Statut hieß es: „Der Zweck des Bundes ist der Sturz der Bourgeoisie, die Herrschaft des Proletariats, die Aufhebung der alten, auf Klassengegensätzen beruhenden bürgerlichen Gesellschaft und die Gründung einer neuen Gesellschaft ohne Klassen und ohne Privateigentum.“
In der zweiten Dezemberhälfte 1847 schrieben Marx und Engels am „Manifest“. Sie hatten dazu sämtliche schriftlich vorliegenden Ergebnisse der Programmdiskussion des Bundes von der Zentralbehörde mitbekommen. Ende Dezember reiste Engels nach Paris und Marx vollendete im Januar 1848 die Niederschrift, er gab dem „Manifest“ die endgültige sprachliche Form. Februar 1848 erschien das „Manifest“, in das Marx und Engels gemäß des ihnen erteilten Auftrages alle vier Phasen der Programmdiskussion des Bundes entsprechend dem im Dezember 1847 erreichten Stand eingearbeitet haben. Die imFragenkatalog der Londoner Diskussion aufgenommen Fragen wurden im „Manifest“ als Einwürfe der Bourgeoisie gegen den Kommunismus bzw. die Kommunisten behandelt. Das „Manifest“ ist ein Dokument gemeinsamen Strebens und gegenseitiger Bereicherung von Theorie und Praxis.
Hören wir zum Schluss den Kampfgefährten von Marx und Engels Friedrich Leßner. Er brachte das „Manifest“ zum Drucker und hat 1898 seine Erinnerungen unter dem Titel veröffentlicht „Vor 1848 und nachher. Erinnerungen eines alten Kommunisten“.
Leßner schreibt: „Das erste Aufblitzen des kommunistischen Gedankens (gemeint ist Wilhelm Weitling – H.M.) hatte mich geblendet. Als ich aber Karl Marx im Jahre 1847 gehört und das ‚Kommunistische Manifest‘ gelesen und verstanden hatte, wurde es mir klar, dass Enthusiasmus und guter Wille einzelner Personen nicht genügten, eine Umgestaltung der menschlichen Gesellschaft herbeizuführen. In dem Momente, wo ich gelernt hatte, die wirtschaftliche Entwicklung als einen entscheidenden Faktor in der Menschheitsgeschichte zu würdigen, wurde ich nüchtern und klarblickend. Und was ich an Enthusiasmus und Phantasie verlor, gewann ich an Zielbewusstheit und Wissen.“ (Friedrich Leßner, Ich brachte das „Kommunistische Manifest“ zum Drucker, Dietz Verlag Berlin 1975, S. 45)
Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Weiterführende Literatur
Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei. Mit einem Anhang: Entwurf des Kommunistischen Glaubensbekenntnisses und Grundsätze des Kommunismus von Friedrich Engels, versehen mit einem ausführlichen Nachwort von Hans Kliem, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1985.
Friedrich Engels, Zur Geschichte des „Bundes der Kommunisten“, MEW, Dietz Verlag Berlin 1962, Bd. 21, S. 206ff.
Martin Hundt, Wie das „Manifest“ entstand, Dietz Verlag Berlin 1973 und 1985.
Ders. (Hrsg.), Bund der Kommunisten 1836-1852, Studienbibliothek DDR-Geschichtswissenschaft, Band 9, Akademie-Verlag 1988.
Waltraud Seidel-Höppner, Wilhelm Weitling der erste deutsche Theoretiker und Agitator des Kommunismus, Dietz Verlag Berlin 1961.
Herweg Förder, Marx und Engels am Vorabend der Revolution, Akademie-Verlag Berlin 1960.
Rudolf Herrnstadt, Die erste Verschwörung gegen das internationale Proletariat. Zur Geschichte des Kölner Kommunistenprozesses, Rütten&Loening, Berlin 1958.
Der Bund der Kommunisten, Dokumente und Materialien, Berlin 1970, Band 1, 1836-1849
Friedrich Leßner, Ich brachte das „Kommunistische Manifest“ zum Drucker, Dietz Verlag Berlin 1975.
Wie kann die marxsche Geschichtskonzeption am besten vermittelt werden? Ein Erfahrungsbericht aus unserem Lesezirkel.
Als wir uns mit den Textfragmenten aus dem Konvolut „Feuerbach, Textfragment. Deutsche Ideologie“]1 beschäftigten, wollten wir zunächst verstehen, wie Marx seine historisch-materialistische Geschichtsauffassung entwickelte. Für viele TeilnehmerInnen unserer Lesegruppe aber war es das erste Mal, dass sie sich mit Marx beschäftigten. Aus diesem Grund entstand in den beiden Sitzungen eine besondere Dynamik, in der wir uns einerseits mit dem Inhalt der Texte befassten und andererseits verstehen mussten, welche Struktur Marx zur Analyse der Geschichte verwendete.
Dieser Artikel wird sich vor allem auf diesen zweiten Teil konzentrieren, d.h. auf die Darstellung unserer gemeinsamen Schlussfolgerungen in dieser Hinsicht und auf einige kurze Empfehlungen, wie die marxsche Geschichtskonzeption am besten an unerfahrene Genossinnen vermittelt werden kann.
Einer der ersten Punkte, der im Kurs mehrfach zur Sprache kam, war, dass es schwierig war zu verstehen, was genau Marx an bestimmten Personen (Feuerbach) oder Gruppen (den Linkshegelianern) kritisierte. In Bezug auf seine Geschichtsauffassung haben wir zunächst festgestellt, dass Feuerbachs materialistische Analyse des Menschen keine Geschichte hat und dass die Geschichtsauffassung der Linkshegelianer idealistisch ist. Nun betont Marx, dass die Geschichte auf dem Materialismus beruht und dass der Materialismus eine Geschichte haben muss.
Welche Kategorien verwendet Marx in seiner materialistische Geschichtsauffassung?
Der zweite Punkt bestand in Fragen, wie Marx die Kategorie des Menschen im Kapitalismus oder allgemein analysiert oder warum er seine Analyse mit allgemeinen Produktionsformen beginnt und mit einer Schlussfolgerung über die kapitalistische Produktionsweise beendet? Wir werden diese Punkte mit der Frage nach dem „Verortung“ von Marx zusammenfassen.
Doch bevor wir diese Frage beantworten können, müssten wir erst einmal festlegen, welche Kategorien Marx verwendet, um seine materialistische Geschichtsauffassung zu entwickeln. Nämlich eine „übergeschichtlich-abstrakte“, eine „konkret-historisch variable“ und eine „konkrete“-Kategorie.
Eine historisch-materialistische Analyse des Menschen
In dem Text legt Marx eine historisch-materialistische Analyse des Menschen vor. Wenn er also feststellt, dass die Menschen produzieren, in einer Gesellschaft leben und ein Bewusstsein haben müssen, um eine Geschichte zu haben (abstrakte Produktionsweise), befinden wir uns in der ersten Kategorie. Wenn er uns zeigt, dass sich die feudalistische Produktionsweise von der kapitalistischen Produktionsweise unterscheidet, befinden wir uns in der zweiten Kategorie, und wenn er die konkrete kapitalistische Produktionsweise analysiert, in der dritten. Wir sehen hier, dass die Produktionsweise in drei verschiedenen Kontexten erscheinen kann, weshalb die Erklärung der „Verortung“ von Marx in seinen Analysen eine Voraussetzung dafür ist, die inhaltlichen Fragen beantworten zu können.
Nachdem diese Struktur herausgearbeitet war, konnten wir uns mit einem neuen Problemfeld beschäftigen, nämlich der Marx’schen Dialektik; Fragestellungen wie z.B. warum die Arbeiterklasse eine revolutionäre Funktion hat, warum Marx von einer Auflösung der Klassengesellschaft ausgeht oder warum die Geschichte mit der Arbeitsteilung beginnt, konnten wir erklären, indem wir uns auf die Marx’schen Erklärungen zum Bewegungsablauf der Geschichte konzentrierten.
Hierfür war es ebenfalls nützlich, die dreigliedrige Struktur zu verwenden. Auf einer „überhistorischen“ Ebene zeigt sich, dass die Arbeitsteilung Widersprüche innerhalb der Produktionsweise hervorruft, die zum Entstehen von Klassen (den gesellschaftlichen Akteuren der Geschichte) führen. Die Notwendigkeit, diese Widersprüche zu lösen, treibt die Geschichte voran und provoziert so die Entstehung neuer Produktionsweisen. Auf einer „konkret-historisch variablen“ Ebene vergleicht Marx spezifische Formen der Arbeitsteilung, ihre Widersprüche und ihre Klassen, so können wir sehen, dass auf der konkreten Ebene des Kapitalismus die Arbeitsteilung Privateigentum bedeutet, dass es Menschen gibt, die arbeiten/produzieren müssen, während andere für sich selbst Genuss und Konsum vorbehalten, und diese beiden sozialen Akteure nennt Marx die Arbeiterklasse und die Kapitalistenklasse.
Das "doppelte Verhältnis des Lebens"
Die Dialektik verdeutlicht auch, dass diese Ebenen nicht scharf voneinander getrennt sind, sondern dass sie sich gegenseitig beeinflussen und dass diese „Bewegung“ in eine Richtung geht (Fortschritt), die zur Auflösung der Klassen führen wird. Hier ist es wichtig, noch einmal daran zu erinnern, dass Marx eine materialistische Geschichtsauffassung hat und dass dieser Fortschritt in diesem Sinne nicht automatisch erfolgt, sondern von den gesellschaftlichen Akteuren realisiert werden muss.
Ein letzter Aspekt der Auseinandersetzung mit dem Text, der sich als problematisch erwies, war zu verstehen, warum Marx die Kategorie des Menschen selbst auf verschiedenen Ebenen analysiert. Für Marx hat das Leben zwei Aspekte, einen natürlich-biologischen und einen sozialen Aspekt. Wir werden dies das „doppelte Verhältnis des Lebens“ nennen. Dieses Verhältnis ist eine überhistorische Tatsache, die in ihren jeweiligen konkreten historischen Zusammenhängen analysiert werden muss. Um bestimmte Produktionsweisen zu verstehen, müssen wir uns dieses Verhältnis stets vor Augen halten. Einerseits muss der Mensch z.B. genug essen und trinken, um arbeiten zu können, und in diesem Sinne hängt die gesellschaftliche Produktion von diesen biologischen „Zwängen“ ab. Auf der anderen Seite hat unsere besondere Produktionsweise ein spezifisches Verhältnis zur Natur. Im Kapitalismus zum Beispiel wird die Natur zerstört, um höhere Profite zu erzielen.
Empfehlungen für die Arbeit mit Marx-Texten
Indem wir diese drei Aspekte (historische Struktur, Dialektik und materielles Leben) des historischen Materialismus analysieren, können wir eine Matrix erstellen, die uns hilft zu verstehen, auf welcher Ebene und unter welchem Aspekt Marx gerade arbeitet. Dies war besonders nützlich, um die inhaltlichen Fragen einzugrenzen und genauer zu beantworten.
Außerdem haben wir einige praktische Empfehlungen für die Arbeit mit Marx-Texten:
Sich an den Text halten: Bei der Erläuterung marxistischer Konzepte ist die Versuchung groß, sich auf andere Texte und Autoren zu beziehen. Wenn dies jedoch nicht notwendig ist, haben wir festgestellt, dass es produktiver ist, auf der Grundlage des Textes zu arbeiten. Besonders für Menschen, die Marx zum ersten Mal lesen, können diese zusätzlichen Erklärungen überwältigend sein.
Kontextualisierung ist wichtig: Es ist wichtig, den historischen Kontext zu kennen, in dem Marx sich befand, und zu wissen, wer die Leute waren, die er kritisierte. Das hat es uns leichter gemacht, den Text gemeinsam zu verstehen.
Suche nach konkreten Beispielen und Austausch von Ideen: Marx schreibt über konkrete Dinge, daher ist es immer nützlich, konkrete Beispiele zu verwenden, um ihn zu erklären. Was genau eine Produktivkraft ist, gab Anlass zu einem regen Austausch in unserer Gruppe, der die verschiedenen Dimensionen dieser Kategorie verdeutlichte.
Marx, Karl/Engels/Friedrich: Feuerbach, Textfragment. Deutsche Ideologie. Manuskripte und Drucke. In: MEGA2, Band 1/5. Berlin/Boston 2017, S.3-67.↩︎
Die Abgaben drückten die Bauern herab. Zugleich waren sie ein Fortschritt gegenüber dem Frondienst.
Von Philipp Kissel
Musste es so kommen?
Essay zur Frage der Gesetzmäßigkeit in der Geschichte und der Unvermeidlichkeit des Sozialismus
Eine Frage hat uns in den ersten beiden Modulen des Studiengangs beschäftigt: Warum soll aus dem Kapitalismus zwangsläufig der Sozialismus entstehen? Warum nicht etwas anderes? Dieselbe Frage kann auch für die Vergangenheit gestellt werden: Warum resultierte der Feudalismus aus der Sklavenhaltergesellschaft und aus diesem der Kapitalismus? Was ist die Gesetzmäßigkeit und warum hätte die Geschichte nicht auch ganz anders verlaufen können
Gesetzmäßigkeiten auf Geschichte und menschliche Gesellschaft anzuwenden, erscheint seltsam oder ungewohnt. Wir kennen diese eher aus den Naturwissenschaften. Gerade für Geschichte wird uns oft eher ein romantisches Bild vermittelt: Kaiser oder Generäle, die große Taten vollbrachten. Oder ein eher chaotisches: Alltagshandlungen, die eben so waren wie sie waren. Jede Stufe der menschlichen Entwicklung und ihrer Produktionsverhältnisse hat eigene Gesetzmäßigkeiten. Im Kapitalismus beispielsweise das Gesetz der Konkurrenz, das man nicht auslöschen kann ohne den Kapitalismus zu beseitigen. Und es gibt eine grundlegende Gesetzmäßigkeit der menschlichen Entwicklung: Die Entwicklung der Produktivkräfte und die Herausbildung von Produktionsverhältnissen. Im Laufe der Entwicklung bilden sich verschiedene Verhältnisse heraus, die am ehesten der Entwicklung der Produktivkräfte entsprechen. Das geschieht scheinbar durch Zufälle und auch tatsächlich durch Zufälle, also durch konkrete und spezifische Handlungen. Aber diese sind kein Zufall, also nicht beliebig. Sie sind Ausdruck der Notwendigkeit oder besser gesagt die Form, in der die Gesetzmäßigkeit sich durchsetzt.
In diesem Zusammenhang wurde uns klar, dass auch Phänomene der Geschichte der Menschheit, die wir als abscheulich empfinden, einen Fortschritt darstellten: Die Sklavenhalterproduktion ermöglichte große Fortschritte in der Kultivierung der Landschaft und schließlich in der Erschaffung von Staatswesen und Ausdrücken großer Kultur. Um beispielsweise Landschaften trocken zu legen, waren größere Massen Arbeitskräfte notwendig, die eingesetzt werden konnten, um wiederum eine größere landwirtschaftliche Produktion zu ermöglichen. Dies geschah historisch konkret in der einzig möglichen, zugänglichen Form und das war der Einsatz von Sklaven. Die Steigerung der Produktivität der dann folgenden großen landwirtschaftlichen Produktion war ebenfalls erstmal nur durch die einfache Kooperation der Sklavenarbeit möglich.
Bereits in der Sklavenhalter-Epoche reift die nächste Form der größeren Produktivität heran: Die der freien Bauern und Gärtner, die ihre Arbeitsgeräte und anfangs zum Teil auch das Land besitzen und für sich – und dann auch für andere – produzieren können. Das Eigentum an den Produktionsmitteln, der freie Bezug zur Arbeit bringt die Steigerung der Produktivität gegenüber der Sklavenarbeit, in der keine Technik eingesetzt werden kann, weil die Sklaven sie nicht nutzen würden, weil sie ihre Arbeit, die unter Zwang und Elend stattfindet nur hassen können. Die Bauern schaffen es oftmals, statt Fronarbeit leisten zu müssen, die Produktenabgabe durchzusetzen und dadurch einen Teil der Produktivitätssteigerung, die sie erzielen, behalten zu können. Die spätere Geldabgabe bringt auf der einen Seite Schuldsklaverei mit sich, auf der anderen Seite führt sie zu einer Steigerung der Landwirtschaft, die für die industrielle Produktion neue Güter produziert. Geld bringt also Fortschritt in die Geschichte, weil es den Handel steigert, die Produktion anregt und die Speicherung von Wert ermöglicht. Die Marktwirtschaft, also die Ausweitung der Tauschverhältnisse, bringt ebenfalls Fortschritt. Es ist die Form, in der die vereinzelte Produktion des Feudalismus zusammen geführt wird. Man könnte sagen: Sie steigert den gesellschaftlichen Charakter der Produktion und damit steigert sie die Produktivkräfte.
Hätten alle diese Schritte zur Steigerung der Produktivkraft auch anders vollzogen werden können? Sie hätten historisch konkret anders ablaufen können und in einzelnen Regionen der Welt war das auch so. Aber auf Weltmaßtstabs-Ebene konnten sie nur so vonstattengehen. Die Sklaverei war die damals mögliche Form der Steigerung der Arbeitskraft, im Feudalismus die der einzelnen Bauernproduktion. In diesem Sinne konnte aus der Sklaverei nur der Feudalismus folgen, weil nur so der Widerspruch aufgelöst werden konnte, der in der Sklavenhaltergesellschaft entstanden war: Mit der Sklavenarbeit war eine weitere Steigerung der Produktivität nicht mehr möglich, weil es Sklavenarbeit war und damit eine extrem entfremdete Arbeit, eine die Arbeitskraft zu stark unterdrückende Form der Arbeit. Die Steigerung der Produktivkräfte im Feudalismus wiederum erzwang eine Form, die größere Beweglichkeit, größere Zusammenballung von Arbeitskräften und die Sprengung der Auflagen der feudalen Herrschaft über die Arbeit ermöglichte. Durch den Kapitalismus wurden die Produktivkräfte von ihren feudalen Fesseln befreit – und auch hier gab es im Weltmaßstab nur diesen Weg zur nächsten Stufe der menschlichen Entwicklung. Die Fesseln, die wiederum der Kapitalismus den Produktivkräften anlegt, sind seit er in sein Stadium des Niedergangs (seit ca. 1900) getreten ist, in unerträglichem Maße deutlich zu erkennen. Und der nächste Schritt muss eine bestimmte Qualität aufweisen: Die Produktionsverhältnisse müssen dem enorm gesteigerten gesellschaftlichen Charakter der Produktion entsprechen und die Hürde des Privateigentums an den Produktionsmitteln aus dem Weg räumen.
Das ist der Kern des Sozialismus und er ist deshalb unvermeidlich und er ist deshalb historisch bereits vollzogen worden. Die zwischenzeitliche Niederlage ändert daran nichts.
Interessant ist, dass in dieser Übergangsperiode auch Mittel angewandt werden können (oder müssen?), die eigentlich aus der alten Formation stammen, aber noch nötig sind, um den Stand der Produktivkräfte auf ein Niveau zu bringen, das sie überflüssig macht. In der Sowjetunion mussten Anfang der 1920er Jahre in der „Neuen Ökonomischen Politik“ Marktelemente und Privateigentum zugelassen werden, um die zersplitterte Bauernökonomie und den Handel in Schwung zu bringen. Das waren politisch notwendige Maßnahmen, die aber auch mit der noch rückschrittlichen Verfasstheit der Ökonomie zusammenhingen. Ähnliches wurde für die Politik der Reform und Öffnung in China 1979 angeführt. Die Bedingung dafür, dass sie einem fortschrittlichen Zweck dienten, war, dass die „Kommandohöhen“ der Ökonomie in den Händen des proletarischen (oder in China dem Bündnis aus nationaler Bourgeoisie, Bauern und Proletariat) Staates waren. In diesen Händen können also im historischen Maßstab gesehen überkommene Methoden nützlich sein, um der neuen Gesellschaft zur Geburt zu verhelfen.
Damit ist die nächste Frage unserer Diskussion aufgeworfen: Hängt es heute nur noch am subjektiven Faktor, also dem bewussten und organisierten Handeln, dass die Menschheit in die nächste Formation schreitet? Die Produktivkräfte sind überreif, der Sozialismus längst möglich, aber die bürgerliche Klasse kann sich noch halten. Was würde das bedeuten, wenn es „nur noch“ die politische Verfasstheit und Bereitschaft der internationalen Arbeiterklasse ist, auf die es ankommt? Und in welchem Verhältnis steht diese Frage zu den objektiven Bedingungen, mit denen diese Klasse konfrontiert ist?
Gedanken zum Charakter der sich gesetzmäßig vollziehenden Entwicklung.
Von Paul Oswald
Wie funktioniert gesellschaftliche Entwicklung, und was bedeutet es, dass sie sich gesetzmäßig vollzogen hat und weiterhin vollzieht? Diese Fragen gehörten zu den zentralen Themen im ersten Modul über den Historischen Materialismus. Besonders beschäftigt hat uns die Widersprüchlichkeit zwischen Produktionsverhältnissen und der Entwicklung der Produktivkräfte sowie die Erkenntnis, dass jede neu erreichte gesellschaftliche Stufe einen Fortschritt mit sich brachte. Der entscheidendste Punkt – den die bürgerliche Klasse mit allen Mitteln zu leugnen versucht – ist die Gesetzmäßigkeit (d.h. Zwangsläufigkeit) der kommunistischen Produktionsweise. Diese Erkenntnis wird verklärt, da sie den zwangsläufigen Untergang der bürgerlichen Gesellschaft und der bürgerlichen Klasse impliziert.
Zu Beginn des Moduls stellte sich die Frage, ob sich die gesetzmäßigen gesellschaftlichen Stufen überall auf der Welt gleichermaßen durchgesetzt haben und ob diese Annahme somit überhaupt Gültigkeit besitzt. Nicht jede Gesellschaft durchlief alle Entwicklungsstufen, und nicht in jeder Gesellschaft kam es zu revolutionären Umbrüchen. Dies hängt mit dem Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung zusammen. Betrachtet man die verschiedenen Kontinente, fällt auf, dass sich die Gesellschaften einerseits durch ihre natürlichen Bedingungen (z.B. geographische, klimatische) und andererseits durch ihren gesellschaftlichen Überbau (z.B. in den Ausprägungen des Staates) unterscheiden. Diese Unterschiede führten dazu, dass sich gesellschaftliche Entwicklungen, ausgehend von den jeweiligen Bedingungen, in unterschiedlicher Geschwindigkeit vollzogen und verschiedene Ausprägungen annahmen. So entwickelte sich in China historisch kein Kapitalismus, obwohl es einen sehr weitentwickelten Feudalismus gab – Marx bezieht sich in diesem Zusammenhang an manchen Stellen auf die asiatische Produktionsweise. Und obwohl in China kein Kapitalismus entstand, kam es zu einer sozialistischen Revolution. Die Gesellschaften auf dem afrikanischen Kontinent befanden sich im 15. Jahrhundert zwischen der Urgesellschaft und dem Feudalismus. Die Produktionsweise der Sklaverei existierte in den afrikanischen Gesellschaften nie, obwohl es dort ebenfalls Sklaven gab. In Afrika kam es bis zu den antikolonialen Kämpfen nie zu einer revolutionären Entwicklung, da die Gesellschaften bis zum 15. Jahrhundert unterhalb des Feudalismus blieben, sich somit keine Sklavenhaltergesellschaft herausbildete und die Klassengegensätze sich nicht entfalten konnten.
Ab dem 15. Jahrhundert fand in Europa eine Internationalisierung des Handels statt, und europäische Gesellschaften brachen mit Schiffen in die Welt auf. Dies führte dazu, dass Gesellschaften, die sich auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen befanden, aufeinandertrafen: die spätfeudalen/frühkapitalistischen europäischen Gesellschaften und ur- oder halbfeudale Gesellschaften in Afrika, Asien und Amerika. Dies hatte weitreichende Konsequenzen: Einerseits machten die westlichen Gesellschaften rasante Entwicklungssprünge, während den weniger entwickelten Gesellschaften die Kapazitäten für ein selbsttragendes wirtschaftliches Wachstum raubten. In Amerika wurden ganze Gesellschaften ausgelöscht, und die Gold- und Silbervorkommen wurden unter den Nagel gerissen. In Afrika wurden europäische Handelsgüter gegen Sklaven eingetauscht – unter anderem, um das Gold und Silber aus Amerika zu rauben. Dies zerriss die bisherigen Gesellschaften Afrikas, die nun begannen, sich gegenseitig zu bekriegen, um Gefangene nehmen zu können, die sie an die Europäer gegen Handelswaren verkauften. Teilweise boten sie sogar eigene Gesellschaftsmitglieder den Europäern an.
Nach der Sklaverei war der gewachsene Kapitalismus in Westeuropa und Nordamerika in der Lage, die ganze Welt in ein globales Produktionsnetzwerk einzubeziehen. Der Sklavenhandel wurde durch den Kolonialismus abgelöst. Dies geschah dort am schnellsten, wo die Europäer bereit waren, andere Güter (wie z.B. Elfenbein, Gummi, Palmenerzeugnisse usw.) einzutauschen. In den afrikanischen Gesellschaften entwickelten sich die europäischen Handelswaren zunehmend von Luxus- zu alltäglichen Konsumgütern. Der alltägliche Konsum europäischer Handelsgüter führte dazu, dass in den afrikanischen Gesellschaften schnell die Bereitschaft entstand, eine Alternative zum Sklavenhandel zu organisieren. Die europäischen Handelsgesellschaften erlangten ein unfassbares Vermögen, und die europäischen Hafenstädte entwickelten sich zu den Zentren der kapitalistischen Entwicklung. Neben dem direkten Raub an Ressourcen und Menschen zerstörten die Europäer auch vorhandene Entwicklungen. Das bekannteste Beispiel ist vermutlich die Zerstörung der indischen Textilindustrie, an der Großbritannien mit allen Mitteln arbeitete.
In dem entstehenden Kolonialsystem war eines der wichtigsten Merkmale, dass Afrikaner als wirtschaftliche, politische und kulturelle Vertreter der Kolonisatoren dienten. Ein zentrales Mittel, um dies zu erreichen, war die koloniale Bildung. Die Kolonisten errichteten Handelsbarrieren, und die Kolonien wurden gezwungen, lediglich mit ihrem Mutterland Handel zu treiben. Dieses bestimmte die Handelsbedingungen und fand einen Markt vor, auf dem es selbst die schlechteste Ware absetzen konnte, weil es keine Konkurrenz gab. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der rasante Fortschritt in den kapitalistischen (und später imperialistischen) Ländern auch aus diesem international gewachsenen Verhältnis resultierte. Die Entwicklung und der Fortschritt wurden zu einem Resultat der Unterentwicklung und Unterdrückung.
Während sich in Europa mit der aufsteigenden Entwicklung der Produktionsweisen parallel die Klassengegensätze weiter entfalteten und schließlich auf zwei Klassen (Proletariat und Bourgeoisie) konzentrierten, entstand in einem Großteil der Welt als entscheidender Gegensatz der zwischen verschiedenen Gesellschaften (Mutterland und Kolonie). Dieser Gegensatz lenkte die Entwicklung, indem von außen bestimmt wurde, an welchem Ort, auf welche Weise und was produziert wurde. Der Klassenkampf ist in jenen Ländern, denen die Möglichkeiten für eine selbstständige Entwicklung genommen wurden, unmittelbar mit der Wiedererlangung eben dieser verknüpft.
All das widerspricht nicht der gesetzmäßigen und stufenweisen Folge von Produktionsweisen, die sich welthistorisch durchgesetzt hat. Auch in Afrika, Amerika und Asien vollzog sich eine Entwicklung der Produktionsweise bis zu einer bestimmten Stufe. Diese Gesellschaften wurden alle auf die ein oder andere Weise in das kapitalistische Produktionssystem eingebunden. Die verschiedenen Entwicklungsstufen setzten sich in einem internationalen Maßstab durch und bedingten den internationalen Verkehr (z.B. das Aufkommen der Schifffahrt und des Seehandels) – wie sich in den Beziehungen zwischen Europa, Afrika, Asien und Amerika zeigt. Neben dem Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion bei privater Aneignung tritt zusätzlich der Widerspruch zwischen reichen entwickelten Ländern und jenen, aus denen Reichtum gezogen wird. Auch dieser Widerspruch drängt gesetzmäßig in Richtung der Sprengung der bisherigen (internationalen) Produktionsverhältnisse, da der internationale Handel und damit verbunden die Entwicklung der internationalen Produktivkräfte im Gegensatz zu der Kontrolle und den Fesseln durch einige wenige Länder und ihrer Bourgeoisie steht, die den internationalen Austausch kontrollieren. Ist es dann nicht so, dass auch in diesen Gesellschaften die Widersprüche in Richtung einer kommunistischen Produktionsweise drängen, um aus dem System der Beherrschung und Unterdrückung auszubrechen?
Modul 4 – Der Kampf um eine revolutionäre Massenpartei
In der Phase von 1849 bis 1871 wurden wichtige Grundlagen der revolutionären Arbeiterbewegung in Deutschland gelegt, die es in den darauffolgenden Jahren ermöglichten, dass die ersten großen Massenorganisationen und politischen Erfolge der Arbeiterbewegung in Deutschland erzielt wurden. Auch die I. Internationale und damit der Beginn der internationalen Arbeiterbewegung entstanden in dieser Zeit. Die ideologischen Auseinandersetzungen, die von Marx und Engels stark vorangetrieben wurden, waren entscheidend, um zu einer eigenständigen wissenschaftlichen Weltanschauung des Proletariats zu gelangen.
Nach der verlorenen Revolution von 1848 begann eine Phase der Repression und Verfolgung von Demokraten, Kommunisten und Arbeitern. Gleichzeitig kam es zu einem Aufschwung des Kapitalismus, zahlreichen gewerkschaftlichen Kämpfen, Streiks, von Arbeitern gebildeten Vereinen, Sozial- und Krankenkassen sowie zu einer weiteren Organisierung der Arbeiterklasse.
Die wichtigste Herausforderung in dieser Phase war die Schaffung eines einheitlichen Nationalstaats in Deutschland und einer Massenpartei des Proletariats, die unabhängig von der Bourgeoisie politisch kämpfen konnte. Die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) durch Ferdinand Lassalle war ein wichtiger Meilenstein, da damit die Arbeiter über eine von der liberalen Bourgeoisie unabhängige Organisation verfügten. Lassalle erkannte jedoch nicht die Rolle des Proletariats und strebte an, über den preußischen Staat zum Sozialismus zu gelangen.
Marx und Engels leisteten große Anstrengungen zur Herausbildung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und der I. Internationale, wodurch die revolutionäre Arbeiterbewegung gestärkt wurde. Wichtige Führungspersönlichkeiten wie Wilhelm Liebknecht und August Bebel traten hervor. Die Werke von Marx und Engels, insbesondere die „Kritik der Politischen Ökonomie“ und der erste Band des „Kapitals“ (wird im extra Modul genauer behandelt), hatten großen Einfluss auf die Formierung dieser Bewegung und Persönlichkeiten und trugen zur Linksentwicklung des ADAV bei.
Diese Phase endete mit dem deutsch-französischen Krieg 1871 und der Gründung des Deutschen Reichs. Die Abschaffung der staatlichen Zersplitterung war zwar ein Fortschritt, geschah jedoch auf Grundlage des preußischen Staates und der Monarchie, was eine reaktionäre Form der Nationalstaatsgründung darstellt. Dennoch spielte die Arbeiterbewegung unter Liebknecht und Bebel eine zentrale Rolle für den Internationalismus des deutschen Proletariats und den Kampf um eine demokratische Einigung.
In der Phase von 1849 bis 1871 wurden wichtige Grundlagen der revolutionären Arbeiterbewegung in Deutschland gelegt, die es in den darauffolgenden Jahren ermöglichten, dass die ersten großen Massenorganisationen und politischen Erfolge der Arbeiterbewegung in Deutschland erzielt wurden. Auch die I. Internationale und damit der Beginn der internationalen Arbeiterbewegung entstanden in dieser Zeit. Die ideologischen Auseinandersetzungen, die von Marx und Engels stark vorangetrieben wurden, waren entscheidend, um zu einer eigenständigen wissenschaftlichen Weltanschauung des Proletariats zu gelangen.
Vorlesung
Vorlesung: 13.06.2025
Hier verlinken wir das Skript zur Vorlesung, sobald die Vorlesung gehalten wurde.
Literatur
Woche 1:Die Lehren aus der Konterrevolution – wie weiter?
Grundkurs
Autorenkollektiv (1966): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 1. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hg.). Dietz Verlag, Berlin: S.171-197.
Zusatz
Engels, Friedrich (1885): Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, in: Marx, Karl/Engels, Friedrich (Hg.), Werke, Band 21. Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 206-224 (insbesondere S. 220-224)
Engels, Friedrich (1852): Der Kommunisten-Prozeß zu Köln, in: Marx, Karl/Engels, Friedrich (Hg.), Werke, Band 8. Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 398-404.
Woche 2: Grundstein des Internationalismus -Die Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) 1864
Grundkurs
Marx, Karl (1864): Inauguraladresse der Internationalen Arbeiter-Assoziation, in: Marx, Karl/Engels, Friedrich (Hg.), Werke, Band 21. Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 5-13.
Provisorische Statuten der Internationale Arbeiter-Assoziation, in: Marx, Karl/ Engels, Friedrich (Hg.), Werke, Band 21. Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 14-16.
Zusatz
Marx, Karl & Engels, Friedrich (1873): Ein Komplott gegen die Internationale Arbeiterassoziation, in: Marx, Karl/Engels, Friedrich (Hg.), Werke, Band 18. Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 331-346.
Woche 3: Die Grundlagen des Lassalleanismus
Grundkurs
Lassalle, Ferdinand (1863): Offenes Antwortschreiben. In: Bernstein, Eduard: Ferdinand Lassalle. Gesammelte Reden und Schriften, Bd. 2. Berlin: Paul Cassirer: S. 41–47, 57–64, 68–81, 87–92.
Lassalle, Ferdinand (1862): Arbeiterprogramm (Auszüge). In: Bernstein, Eduard: Ferdinand Lassalle. Gesammelte Reden und Schriften, Bd. 1. Berlin: Paul Cassirer: S. 170—174, 185–202.
Zusatz
Autorenkollektiv (1966): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 1. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hg.). Berlin: Dietz Verlag: S. 197–247.
Marx, Karl (1864): Inauguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation. In: Marx/Engels: Werke, Bd. 16. Berlin: Dietz-Verlag: S. 11–13 (zu Produktionsgenosschenschaften/Arbeiterinitiativen).
Woche 4: Die Probleme des Lassalleanismus und die fortschrittliche deutsche Sozialdemokratie
Grundkurs
SDAP (1869): Eisenacher Programm. In: Bebel, August (1983): Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. 6 (Aus meinem Leben). Berlin: Dietz Verlag: S. 245–249.
SAP (1875): Gothaer Programm. In: Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern, Bd. 4:S. 1–3.
Engels, Friedrich (1875): Brief an Bebel. In: Marx/Engels: Werke, Bd. 19. Berlin: Dietz Verlag: S. 3–9.
Marx, Karl (1875): Kritik des Gothaer Programms. In: Marx/Engels: Werke, Bd. 19. Berlin: Dietz Verlag: S. 13–32.
Zusatz
Autorenkollektiv (1966): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 1. Institut für Mar-xismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hg.). Berlin: Dietz Verlag: S. 258–289.
Engels, Friedrich (1865): Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei. In: Marx/Engels: Werke, Bd. 16. Berlin: Dietz-Verlag: S. 66–78 (Abschnitt III).
In Auseinandersetzung mit bürgerlichen und opportunistischen Kräften, die nach dem Scheitern der Revolution von 1848/49 wieder großen Einfluss auf die Arbeiterbewegung erlangt haben, widmet Marx seine Tätigkeit der Ausarbeitung einer ökonomischen Theorie des Kapitalismus, die der Arbeiterklasse als Werkzeug im Klassenkampf dienen soll. Das vorläufige Ergebnis seiner Arbeit stellt 1867 die Veröffentlichung des ersten Bands des Kapitals dar.
Von Beginn an gibt es verschiedene Interpretationen und Versuche der Umdeutung des „Kapitals“. Insbesondere der revolutionäre Gehalt der Arbeitswerttheorie wird immer wieder angegriffen. Die Auseinandersetzung um die Lesart des Kapitals hält bis heute an.
Das Hauptwerk von Karl Marx übt einen starken Einfluss auf die Arbeiterbewegung aus und legt ihr ein wichtiges Instrument in die Hände, da es den Mechanismus der kapitalistischen Ausbeutung aufdeckt und dadurch ermöglicht, jede Rechtfertigung oder Verschleierung dieser Ausbeutung zu bekämpfen.
Marx enthüllt im „Kapital“ die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise und zeigt, dass sie sich in unlösbare Widersprüche verstrickt, die sich in massiven Krisen und der Notwendigkeit der verstärkten Ausbeutung manifestieren. Das Werk enthält sowohl theoretische Aspekte als auch historische Analysen, die untrennbar miteinander verbunden sind.
In „Das Kapital“ fließen verschiedene Schriften von Marx zu einer umfassenden wissenschaftlichen Erklärung des Kapitalismus zusammen. Bereits während der Revolution von 1848/49 veröffentlicht Marx die Schrift „Lohnarbeit und Kapital“, in der er zum ersten Mal die Grundlage der Klassenherrschaft der Bourgeoisie erklärt. Das Verständnis der Arbeiter über ihre Lage in der Gesellschaft und im Produktionsprozess ist entscheidend, um den Bruch mit den opportunistischen bürgerlichen Kräften voranzutreiben und die Schaffung einer eigenständigen Partei des Proletariats zu fördern. Dies wird umso dringlicher, als mit der rasanten Entwicklung des Kapitalismus in den 50er Jahren das Proletariat sowie seine gewerkschaftliche Organisierung und seine Arbeitskämpfe eine immer zentralere Bedeutung gewinnen.
In ständiger Auseinandersetzung mit bürgerlichen und opportunistischen Kräften, die nach dem Scheitern der Revolution von 1848/49 wieder großen Einfluss auf die Arbeiterbewegung erlangt haben, widmet Marx seine Haupttätigkeit der Ausarbeitung einer ökonomischen Theorie des Kapitalismus, die der Arbeiterklasse als Werkzeug im Klassenkampf dienen soll. Das vorläufige Ergebnis seiner Arbeit stellt 1867 die Veröffentlichung des ersten Bands des Kapitals dar. Ein zweiter und dritter Band sollen nach seinem Tod folgen.
Die erste Hälfte des Moduls wird sich mit den wichtigsten Erkenntnissen aus dem „Kapital“ befassen, insbesondere damit, wie die Ausbeutung der Arbeiter funktioniert – die Mehrwerttheorie und das Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Wir wollen einen Blick auf Marx‘ Analyse der Entwicklung des Kapitalismus werfen- von der Manufaktur bis zur immer stärkeren Konzentration und Zentralisation des Kapitals in Riesenbetrieben. Im zweiten Teil werden wir den revolutionären Gehalt des Werks aus seiner Entstehungsgeschichte nachvollziehen, denn der Sieg der Arbeiterklasse über ihre Ausbeuter war die Motivation von Marx für die umfangreiche Analyse des Ausbeutersystems.
Die Module sollen die Möglichkeit geben, die wichtigsten Erkenntnisse des Werks zu verstehen, ergänzt durch Sekundärliteratur.
Von Beginn an gibt es verschiedene Interpretationen und auch Versuche der Umdeutung des „Kapitals“, insbesondere der revolutionäre Gehalt der Arbeitswerttheorie wird immer wieder angegriffen. Andere versuchen, aus den von Marx durch konkrete historische Untersuchungen entwickelten Begriffen ein abstraktes System zu erschaffen, das keinen historischen Bezug hat und diesen sogar ablehnt. Wieder andere streben danach, den revolutionären Inhalt zu entkernen und die Grundlage für den Reformismus zu legen. Die Auseinandersetzung um die Lesart des Kapitals hält bis heute an.
Im zweiten Teil des Moduls werfen wir einen groben Blick auf die wichtigsten Auseinandersetzungen um die Arbeitswerttheorie und andere zentrale theoretische Erkenntnisse des Kapitals, bis hin zu der in „antideutschen“ Kreisen verbreiteten „Wertkritik“.
Vorlesung
Hier verlinken wir die Vorlesungen, sobald sie bei YouTube online ist.
Hier verlinken wir die Skripte zu den Vorlesungen, sobald diese gehalten wurden.
Vorlesung 1: 06.07.2025
Vorlesung 2: 20.07.2025
Literatur
Woche 1:Ware und Arbeit
Grundkurs
Marx: „Das Kapital“; Erstes Buch, Erster Abschnitt, Ware und Geld; S. 49-62.
Lehrbuch Politische Ökonomie, Kapitel 5; S. 63-79.
Zusatz
Marx: „Das Kapital“; Erstes Buch, Nachwort zur zweiten Auflage, S. 18-31.
Woche 2: Die Verwandlung von Geld in Kapital
Grundkurs
Marx: „Das Kapital“; Erstes Buch, Zweiter Abschnitt, Viertes Kapitel, Punkt 1; Die allgemeine Formel des Kapitals; S.161-170.
Marx: „Das Kapital“; Erstes Buch, Zweiter Abschnitt, Viertes Kapitel, Punkt 3; Kauf und Verkauf der Arbeitskraft; S.181-191.
Lehrbuch Politische Ökonomie, Kapitel 8; S. 103-119.
Zusatz
Lohnarbeit und Kapital; Einleitung von Engels; S. 593-599.
Ganz Europa wird von einer Welle revolutionärer Erhebungen erfasst, beginnend im Februar 1848 in Paris. Für die Kommunisten stellt sich die Frage, ob sie innerhalb der Arbeiterklasse darauf hinwirken sollen, dass diese an der Revolution der Bourgeoisie für bürgerliche Freiheiten und Rechte vorantreibt oder ob sie sich für einen eigenen politisch und organisatorisch unabhängigen Pol einsetzen, der die Befreiung der Arbeiterklasse in den Mittelpunkt der Forderungen stellt.
Wie sollten sich die Arbeiter zu fortschrittlichen politischen Bewegungen verhalten, bei denen sie selbst nicht die Führung innehaben? Was bedeutet es, einen Aufstand erfolgreich zu Ende zu bringen, und was sind die unmittelbaren Aufgaben einer Revolutionsregierung?
Ganz Europa wird von einer Welle revolutionärer Erhebungen erfasst, beginnend im Februar 1848 in Paris. Für die Kommunisten stellt sich die Frage, ob sie innerhalb der Arbeiterklasse darauf hinwirken sollen, dass diese an der Revolution der Bourgeoisie für bürgerliche Freiheiten und Rechte teilnimmt und diese vorantreibt, oder ob sie sich für einen eigenen politisch und organisatorisch unabhängigen Pol einsetzen, der die Befreiung der Arbeiterklasse in den Mittelpunkt der Forderungen stellt. Marx und Engels setzen sich für die erstere Position ein und legen ihre Analyse und Programmatik ausführlich, unter anderem im Manifest der Kommunistischen Partei und in den 17 Forderungen des Bundes der Kommunisten, dar.
Bereits nach wenigen Wochen, und endgültig 1849, setzt sich die feudale Reaktion mit ihrer Hauptstütze Preußen gegen die revolutionäre Erhebung durch, da die Bourgeoisie ihrer Führungsrolle in den Kämpfen nicht gerecht wird und sich stattdessen in den entscheidenden Momenten zögerlich und kompromissbereit gegenüber den Fürsten und Königen zeigt. Die deutschen Volksmassen müssen einen hohen Preis für die Niederlage zahlen, während die deutsche Bourgeoisie vorerst am Katzentisch der Geschichte bleibt.
In dieser Phase der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung ist die Frage nach den richtigen Forderungen und Bündnispartnern in einer Zeit der Schwäche und Unterentwicklung des Proletariats von praktischer Bedeutung. Wir wollen lernen, wie in dieser zugespitzten Situation für die eine oder andere Richtung der Arbeiterklasse und der Kommunisten in der Revolution argumentiert wurde und wie die Entscheidungen im Nachgang bewertet wurden. Es geht dabei um die objektiven und subjektiven Bedingungen für eine Revolution. Diese Phase ist besonders relevant für Fragen wie: Wie sollten sich die Arbeiter zu fortschrittlichen politischen Bewegungen verhalten, bei denen sie selbst nicht die Führung innehaben? Wie ist das Verhältnis von parlamentarischem und außerparlamentarischem Kampf zu verstehen? Was bedeutet es, einen Aufstand erfolgreich zu Ende zu bringen, und was sind die unmittelbaren Aufgaben einer Revolutionsregierung? Marx und Engels reflektieren umfassend die Lehren aus den gescheiterten Revolutionen in Deutschland und Frankreich. Schlüsselwerke in diesem Kontext sind Engels‘ „Revolution und Konterrevolution“ und Marx‘ „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“. Die Erfahrungen aus diesen beiden Ländern bilden im weiteren Verlauf der Geschichte der Arbeiterbewegung das Fundament für die Revolutionstheorie.
Vorlesung
Vorlesung: 11.05.2025
Hier verlinken wir das Skript zur Vorlesung, sobald die Vorlesung gehalten wurde.
Literatur
Woche 1: Die Lage der Klassen 1848 in Deutschland und die Forderungen der Kommunisten bei Ausbruch der Revolution
Grundkurs
Autorenkollektiv (1966):Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 1. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hg.). Dietz Verlag, Berlin: S. 85-106.
Marx, Karl/Engels, Friedrich(1848):Forderungen der kommunistischen Partei in Deutschland, in: Marx, Karl/Engels, Friedrich (Hg.), Werke, Band 5. Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 3-5.
Zusatz
Engels, Friedrich(1847):Der Status Quo in Deutschland, in: Marx, Karl/Engels,Friedrich (Hg.), Werke, Band 4.Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 40-57.
Woche 2: Die Organisierung der Arbeiterklasse und (inter-)nationale Fragen
Grundkurs
Autorenkollektiv (1966): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 1. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hg.). Dietz Verlag,Berlin: S. 107-131.
Zusatz
Marx, Karl/ Engels,Friedrich(1850):Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850, in: Marx, Karl/ Engels,Friedrich(Hg.), Werke, Band 7. Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 244-254.
Woche 3: „Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“ und Bonapartismus
Grundkurs
Marx, Karl (1852): Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in: Marx, Karl/Engels,Friedrich, Werke, Band 8. Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 111-207.
Woche 4: Abwehrkämpfe und Konterrevolution
Grundkurs
Autorenkollektiv(1966): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 1. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hg.). Dietz Verlag, Berlin: S. 131-168.
Zusatz
Engels,Friedrich(1895): Einleitung zur Ausgabe 1895 von„Die Klassenkämpfe in Frank-reich 1848 bis 1850″, in: Marx, Karl/Engels,Friedrich, Werke, Band 7. Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 511-527.
Marx, Karl (1849): Die standrechtliche Beseitigung der „Neuen Rheinischen Zeitung“, in: Marx, Karl/Engels, Friedrich, Werke, Band 7. Dietz Verlag, Berlin, 1959: S. 503-506. [Leitartikel von Karl Marx aus der letzten Ausgabe der Neuen Rheinischen Zeitung nachdem 16. Mai 1849 übermittelten, faktischen Verbot der Zeitung durch die preußischen Behörden.]
Modul 2 – Entstehung des deutschen Kapitalismus und der deutschen Arbeiterbewegung
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt sich der Kapitalismus in Deutschland sehr schnell. Das Proletariat führt in Deutschland seine ersten Kämpfe – die Weberaufstände. Damit kommt die Frage nach der weltgeschichtlichen Aufgabe, der Organisierung des Proletariats und dem Verhältnis zum in Deutschland entstehnden bürgerlichen Staat auf. Die Auseinandersetzung verläuft durch den Bund der Gerechten – später den Bund der Kommunisten. Sie gipfelt in einem Programm, das Marx und Engels verfassen: dem Kommunistischen Manifest.
Dieses Modul beschäftigt sich mit der Entstehung des Kapitalismus in Deutschland. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt sich der Kapitalismus in Deutschland sehr schnell. Doch seine Entwicklung wird durch zwei wesentliche Faktoren gehemmt: die Zersplitterung der Wirtschaft in kleine Handwerks- und Hausbetriebe, sowie die Zersplitterung des Wirtschaftsraums durch die Existenz zahlloser Fürstentümer. Gleichzeitig leiden die Bauern immer noch unter der alten Abordnung des Feudaladels, während die Arbeiterklasse zusätzlich zu feudalen Hemmnissen bereits die Ausbeutung der Bourgeoisie ertragen muss. Die Phase des Übergangs entfaltet neue Klassengegensätze – sowohl zwischen dem feudalen Junkertum, den Bauern und Handwerkern, der jungen Bourgeoise und dem Proletariat. Das Proletariat führt in Deutschland seine ersten Kämpfe – die Weberaufstände. Diese politische Situation in Deutschland stellt die Frage nach der Natur des Proletariats und seiner weltgeschichtlichen Aufgabe in den Mittelpunkt.
Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Frage nach einer programmatischen Begründung der weltpolitischen Aufgaben des Proletariats. Eine zentrale Rolle spielt dabei in Deutschland der Übergang zu einem bürgerlichen Staat und die Frage, wie dieser erreicht werden kann. In diesem Zusammenhang ist unter anderem Marx‘ Schrift „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ zu betrachten. Marx und Engels setzen sich vehement dafür ein, das Proletariat als das handelnde und politische Subjekt zu begreifen – im Gegensatz zu den Vorstellungen, dass die Ideen bürgerlicher Intellektueller und ihre Kritik an den bestehenden Verhältnissen ohne revolutionäre politische Gewalt neue materielle Verhältnisse schaffen können. In dieser Auseinandersetzung verfassen Marx und Engels zahlreiche Abhandlungen gegen die sogenannten Junghegelianer, darunter ihre gemeinsame Schrift „Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik“. Auch ihre Manuskripte für eine geplante Vierteljahresschrift, die später als „Die deutsche Ideologie“ bekannt werden, gehören zu den bedeutendsten Arbeiten dieser Zeit. Darüber hinaus fällt in diese Periode Engels‘ berühmte empirische Studie „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“. Auf politischer Ebene geht es um die Frage der Organisierung des Proletariats. Die Auseinandersetzung verläuft durch den Bund der Gerechten – später den Bund der Kommunisten. Sie gipfelt in einem Programm, das Marx und Engels verfassen: dem Kommunistischen Manifest.
Vorlesung
Vorlesung: 30.03.2025
Hier verlinken wir das Skript zur Vorlesung, sobald die Vorlesung gehalten wurde.
Literatur
Woche 1: Der Kapitalismus in Deutschland
Grundkurs
Franz Mehring: Deutsche Geschichte vom Ausgang des Mittelalters, Berlin: Dietz Verlag 1952. Die Französische Revolution und ihre Folgen (Französische Revolution bis das restaurierte Deutschland), 101-129.
Institut für Marxismus Leninismus beim ZK der SED: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin: Dietz Verlag 1966. Die Anfänge der selbstständige deutschen Arbeiterbewegung S. 28-42.
Zusatz
Georg Lukacs: Goethe und seine Zeit (Vorwort)
Woche 2: Die Begründung des Wissenschaftlichen Kommunismus
Grundkurs
Karl Marx, Friedrich Engels (1848): Das Manifest der Kommunistischen Partei. (MEW Bd. 4) S. 459- 482. Kapitel 1 und 2: Bourgeois und Proletarier, sowie Proletarier und Kommunisten, S. 459 – 482.
Institut für Marxismus- Leninismus beim ZK der SED: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin: Dietz Verlag 1966. Die Begründung des wissenschaftlichen Kommunismus durch Karl Marx und Friedrich Engels. Die Schaffung der ersten revolutionären Partei der Arbeiter klasse. Das „Manifest der Kommunistischen Partei“ (1844 bis 1848) S.42- 66.
Zusatz
Hermann Duncker: Das Manifest der Kommunistischen Partei. Das wissenschaftliche Programm der internationalen Arbeiterbewegung, Dietz Verlag: Berlin 1974.
Woche 3: Die kommunistische Bewegung
Grundkurs
Karl Marx, Friedrich Engels (1848): Das Manifest der Kommunistischen Partei. (MEW Bd. 4). Kapitel 3 und 4: Sozialistische und kommunistische Literatur, sowie Stellung der Kommunisten,S. 482-493.
Institut für ML beim ZK der SED: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin: Dietz Verlag 1966.Die Begründung des wissenschaftlichen Kommunismus durch Karl Marx und Friedrich Engels. Die Schaffung der ersten revolutionären Partei der Arbeiterklasse. Das „Manifest der Kommunistischen Partei“ (1844 bis 1848) S.66-84.
Zusatz
Hermann Duncker: Das Manifest der Kommunistischen Partei. Das wissenschaftliche Programm der internationalen Arbeiterbewegung, Dietz Verlag: Berlin 1974.
Woche 4: Gegen den kleinbürgerlichen Sozialismus
Grundkurs
Karl Marx: Das Elend der Philosophie. Antwort auf Proudhons „Philosophie des Elends“ (MEW Bd.4), Berlin: Dietz Verlag.Kapitel Metaphysik in der politischen Ökonomie, 1. Die Methode und 5. Strikes und Arbeiterkoalition, S. 125-144; 175-182.
Marx und Engels arbeiten ab Mitte des 19 Jahrhunderts bis zu ihrem Tod am „wissenschaftlichen Kommunismus“. Ihre Erkenntnisse bilden bis heute die Werkzeuge, mit denen die revolutionäre Arbeiterklasse ihre Lage erkennt und versucht, sie zu überwinden. In diesem Modul beschäftigen wir uns mit den zentralen Erkenntnissen des historischen Materialismus: den Bewegungsgesetzen der Geschichte. Dabei geht es um die Frage, wie Menschen bewusst Einfluss auf ihre Geschichte nehmen können.
Im Zentrum steht die Frage, welches Verhältnis der Mensch zu seiner eigenen Geschichte hat.
Durch den technologischen Fortschritt und dem Wachstum der Städte drängt sich spätestens ab dem 13. Jahrhundert eine neue Art der Produktion auf. Der von Landwirtschaft geprägte Feudalismus der Fürsten wird zur Fessel der ökonomischen Entwicklung und des wissenschaftlichen Fortschritts. Allmählich werden die alten Strukturen, die vor allem auf Unveränderlichkeit setzen, in Fragen gestellt und Neues macht sich breit. Mit der Renaissance entwickeln sich zaghaft erste öffentliche Debatten um Menschsein und Wissenschaft. Mit der Reformation beginnt ein Umbruch der bisherigen christlichen Religion und schließlich kommt es mit dem englischen Bürgerkrieg von 1639 zum ersten bleibenden Versuch, kapitalistische Verhältnisse einzuführen. Damit beginnt eine Phase, in der sich die kapitalistischen Verhältnisse gegen soziale Revolutionen durchsetzen. In Deutschland wird es bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts dauern, bis mit der Märzrevolution von 1848 ein erster Versuch unternommen wird, tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen. In dieser schwierigen Zeit ringen Philosophen darum, die Umwälzungen im Verhältnis zur fürstlich-christlichen, unveränderlichen Weltanschauung zu begreifen und eine Vision für die Zukunft zu entwickeln. Karl Marx und Friedrich Engels sind maßgebliche Akteure dieser Auseinandersetzung. In einer Vielzahl politischer, philosophischer, ethnologischer, historischer und ökonomischer Schriften formulieren sie ihre Gedanken. Ein zentrales Konzept dabei ist die Vorstellung, dass nicht nur die Natur, sondern auch die menschliche Gesellschaft einem Wandel unterliegt und sich nach Gesetzmäßigkeiten entwickelt, die durch Wissenschaft erfasst werden können. Der Alleinerklärungsanspruch der Kirche wird zunehmend infrage gestellt. Doch 200 Jahre nach der bürgerlichen Revolution in England wird bereits der Widerspruch zur neuen kapitalistischen Ordnung sichtbar. In Deutschland stehen somit zwei Revolutionen bevor – die bürgerliche und die kommunistische.
Marx und Engels arbeiten ab Mitte des 19 Jahrhunderts bis zu ihrem Tod weiter am „wissenschaftlichen Kommunismus“. Ihre Erkenntnisse bilden bis heute die Werkzeuge, mit denen die revolutionäre Arbeiterklasse ihre Lage erkennt und versucht, sie zu überwinden. In diesem Modul beschäftigen wir uns mit den zentralen Erkenntnissen des historischen Materialismus: den Bewegungsgesetzen der Geschichte. Dabei geht es um die Frage, wie Menschen bewusst Einfluss auf ihre Geschichte nehmen können.
Im Zentrum steht die Frage, welches Verhältnis der Mensch zu seiner eigenen Geschichte hat.
Vorlesung
Vorlesung: 02.03.2025
Hier verlinken wir das Skript zur Vorlesung, sobald die Vorlesung gehalten wurde.
Literatur
Woche 1. Fortsetzung – Was ist historischer Materialismus?
Grundkurs:
Marx, Karl/ Engels, Friedrich, Feuerbach, Textfragment. Deutsche Ideologie. Manuskripte und Drucke, in: MEGA2, Band I/5. Berlin, Boston 2017, S. 03 – 67
Textzusatz Erweiterungskurs:
Lenin, Wladimir Iljitsch, Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus. 1913, Lenin Werke, Band 19, S. 3 – 9
Engels, Friedrich, Dialektik der Natur. 1886, MEW Band 20, Kapitel Dialektik, S. 348 – 353
Woche 2. Historischer Materialismus – Sklaverei
Grundkurs:
Kuczynski, Jürgen, Von Knüppel zur automatischen Fabrik. Kapitel „Affe oder Mensch, S. 8 – 15, Kapitel 2 und 3, S. 27 – 92
Textzusatz Erweiterungskurs:
Engels, Friedrich, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats.1884, MEW Band 21, Kapitel V Entstehung des athenischen Staats , S. 107 – 116
Engels, Friedrich, Dialektik der Natur. 1886, MEW Band 20, Kapitel: Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, S. 444 – 455
Woche 3. Historischer Materialismus – Feudalismus
Grundkurs:
Kuczynski, Jürgen, Von Knüppel zur automatischen Fabrik. Kapitel 4, S. 93 – 133
Textzusatz Erweiterungskurs:
Engels, Friedrich, Der deutsche Bauernkrieg. 1850, MEW Band 7, Kapitel I Die ökonomische Lage und der soziale Schichtenbau Deutschlands, S. 330 – 341
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.